Im Osten geht vielleicht die Sonne auf

Die chinesische PV-Industrie boomt. Vor allem Marktführer Suntech Power ist nach erfolgreichem Börsengang auf Expansionskurs. Besonders die niedrigen Arbeitslöhne ermöglichen eine konkurrenzlos günstige Herstellung. Doch wer soll all die gefertigten Zellen und Module eigentlich kaufen?

VON KLAUS SIEG

Wuxi ist mit rund vier Million Einwohnern ein für chinesische Verhältnisse kleines Städtchen. Aufgrund seiner aufstrebenden wirtschaftlichen Entwicklung wird Wuxi aber auch als Klein Schanghai bezeichnet. Konzerne wie Sony, Konica Minolta, General Electric oder Panasonic unterhalten große Niederlassungen im Gewerbegürtel der Stadt in der Provinz Jiangsu. Beste Nachbarschaft also für die Suntech Power Corporation, den größten Zell- und Modulhersteller der Volksrepublik China.

Graham Artes hat gute Laune. Der Chief Operation Officer von Suntech steht mit ausgebreiteten Armen vor einem riesigen Bauschild. Auch die Baustelle an der vierspurigen Straße im Gewerbegebiet von Wuxi kann sich sehen lassen. Über eintausend Arbeiter werkeln unter einem Wald aus Baukränen an dem neuen Firmensitz im futuristischen Design, entworfen von einem österreichischen Architekten nach den Regeln des Feng Shui. „Ein zusätzlich konsultierter chinesischer Meister hatte keinerlei Einwände“, erklärt der Brite, der lange in Deutschland gelebt hat. Die Energie kann also fließen in den vier Gebäuden von je 14.000 Quadratmetern Fläche. Aber nicht nur was den Firmensitz betrifft, klotzt das junge Unternehmen. Die derzeit 2.000 Mitarbeiter sollen sukzessive auf 3.000 bis 3.500 aufgestockt werden. „So können wir unser Ziel von einem Gigawatt Kapazität im Jahr 2010 realisieren“, sagt Artes.

Die chinesische Solarindustrie boomt. Es gibt mittlerweile fast 500 Solarschmieden im Reich der Mitte. Die Produktionskapazität für Solarzellen liegt bei rund 1.250, die von Modulen bei 2.000 Megawatt. Und die Hersteller wollen diese noch um ein Vielfaches ausbauen. Das Kapital dafür sollen internationale Börsengänge liefern. Wie das funktioniert, hat unter anderem Suntech gezeigt.

Der Börsengang vor gut einem Jahr hat dem Unternehmen nach eigenen Angaben 320 Millionen US-Dollar in die Kassen gespült. Das Geld hat Firmengründer Zhengrong Shi, der an der University of New Wales im australischen Sydney in Physik promoviert hat, für eine Einkaufstour genutzt, die in der Solarbranche für Aufsehen gesorgt hat. Zhengrong Shi hat mehrere langfristige Lieferverträge mit Waferproduzenten geschlossen. Vor kurzem etwa mit dem US-Hersteller Sunlight. Dem waren bereits ähnliche Vereinbarungen mit MEMC Electronic Materials und der norwegischen Renewable Energy Corporation (REC) vorausgegangen. So sichert sich der Aufsteiger die dünnen Silberlinge aus Silizium zu Preisen unter denen des Spotmarktes. „Mit den langfristigen Vereinbarungen können wir weiterhin schnell wachsen und günstige Preise anbieten“, erklärt Zhengrong Shi und lächelt zufrieden. Dass man für solche Deals in Vorkasse gehen muss, liegt auf der Hand. Ein Blick in den Fertigungsprozess zeigt die Dimension der Produktion. Alleine mit dem Laminieren, Stringen und Löten sind 500 Arbeitskräfte beschäftigt. In langen Reihen sitzen Arbeiterinnen in hellgrünen Anzügen im Neonlicht und verlöten von Hand Solarzellen. Das erledigen woanders auf der Welt Maschinen. Doch die niedrigen Arbeitslöhne in China erlauben eine konkurrenzlos günstige Produktion. Und eine Arbeiterin braucht nicht länger als zehn Sekunden für eine Zelle. Auch beim Rahmen der Module scheint alles auf Hochtouren zu laufen. Doch tatsächlich ist die Produktion des Shootingstars der Solarbranche nicht ausgelastet. Im letzten Jahr lieferte Suntech trotz einer Kapazität für 270 Megawatt nur Module und Solarzellen mit einer Leistung von 140 Megawatt aus. Dafür war vor allem die Siliziumknappheit verantwortlich. Doch stellt sich im Angesicht der geplanten Kapazitäten auch die Frage, wer all diese Zellen und Module kaufen soll. „Wir wollen uns vor allem mit eigenen Qualitätsprodukten auf dem internationalen Markt platzieren“, erklärt Graham Artes. Zwar hat man im vergangen Jahr noch viel in Lizenz für die deutsche Solarworld gefertigt. Aber eigentlich will sich das aufstrebende Solarunternehmen selber die Boommärkte Deutschland, Spanien und Kalifornien erschließen. Dafür wurde im vergangenen Jahr eigens ein Firmensitz in den USA gegründet. Der Markt in der Volksrepublik jedenfalls kommt erst einmal nicht in Frage. Im Reich der Mitte läuft der PV-Markt bisher vor allem im Bereich der Dorfelektrifizierung und in Form von Prestigeprojekten wie Kleinmodulen für Ampeln oder Dachanlagen auf öffentlichen Gebäuden. Doch netzgebundene PV-Anlagen sind selten. Denn Fördertarife gibt es im chinesischen Gesetz für erneuerbare Energien nicht. Entsprechend fehlt ein dynamischer Markt für PV-Anlagen.