Es riecht nach Weihnachten

ANISPLÄTZCHEN Die Deutschen gelten als Würzmuffel, die eigentlich nur Pfeffer kennen. Ein Besuch der Dauer- oder Weihnachtsausstellung des „Spicy’s Gewürzmuseum“ in Hamburg könnte helfen

Die Ausstellung zeigt auch das Nervenkeks-Rezept der mittelalterlichen Heilkundlerin Hildegard von Bingen

VON THERESA GLÖDE

Zimt? Kardamom? Nelken? Vanille oder doch Sternanis? Eine holzig-würzige Duftnote zieht vom Eingang herüber. Nicht definierbar, aber irgendwo zwischen Advent und Weihnachten einzuordnen. Immer der Nase nach, dann führen schmale, knarrende Treppenstufen hinauf in den zweiten Stock. In der Hamburger Speicherstadt, Am Sandtorkai 34, liegt auf der linken Seite das Spicy’s Gewürzmuseum.

Es ist das weltweit einzige, und wer möchte, bekommt am Eingang der aktuellen Weihnachtsausstellung „Kanehl, Koriander und Kurioses“ eine Tasse Zimtkaffee oder Chai-Tee. „Während der Weihnachtszeit gibt es dann auch selbstgemachten Glühwein“, erzählt Anja Taeger. Sie ist vor über zehn Jahren als Mitarbeiterin ins Spicy’s gekommen. Ausschlaggebend war ihre Leidenschaft für Gewürze und Gerüche.

Besuchern geht es ähnlich. Wer den 350 Quadratmeter großen Speicherboden betritt, ist dem Schnuppern ausgeliefert. Während man zwischen Gewürzsäcken, antiquarischen Geräten und Maschinen sowie Glasvitrinen schnüffelt, erzählen Bilder, Figuren und Texte von weihnachtlichen Kuriositäten. Von „Merkwürzigkeiten“ wie der Geschichte von der Zimtzicke oder dem Canehlpuper.

Auch ist da zu lesen, wie Nervenkekse nach Hildegard von Bingen gebacken werden. Herz und Gedanken sollen sich weiten, so die Idee der mittelalterlichen Heilkundlerin, auf dass der Mensch frohgemut werde. Das allerdings auf eigene Gefahr, denn die Kekse sind als Arzneimittel gedacht.

Und woher stammt eigentlich das Wort „Plätzchen“? Und nicht zu vergessen: Was lege ich meinen Liebsten unter den Tannenbaum? Die Entscheidung, welche Plätzchen in diesem Jahr als erstes gebacken werden sollen, fällt beim Anblick der lebkuchenfarbenen Tafeln im Spicy’s Gewürzmuseum nicht leicht. Dreikönigs-Kuchen, Himmelsbrot, Zimtpitte, Beth-Männchen, Tartufo mit Amarettini oder doch die altbekannten Spekulatius? Was die Rezepte eint, sind die Gewürze: „Zimt, Nelken und Kardamom sind die weihnachtlichen Grundgewürze“, sagt Museumsmitarbeiterin Anja Taeger. Man begreift: Der holzig-würzige Geruch am Eingang war ein echter Weihnachtsduft. „Für Plätzchen ist das Gewürz-Dreiergespann genauso gut geeignet wie für den Weihnachtsbraten. Als Highlight gehören Lorbeerblätter, Sternanis, Muskatnüsse und Vanille auch dazu“, erklärt Taeger.

Viele Menschen besuchen das Gewürzmuseum vor allem, weil sie sich von den fünfzig Rohgewürzen und über 900 weiteren Exponaten inspirieren lassen wollen. Einige liegen in Vitrinen, andere auf Schnuppertischen für die Besucher. Und obwohl Hamburg nach New York und Singapur auf Platz drei der größten Gewürzhäfen der Welt steht, wird in Deutschland kaum gewürzt. Anja Taeger verdreht die Augen: „Der Deutsche kennt bisher nur Pfeffer und Salz, dabei ist Letzteres nicht mal ein Gewürz.“

Das ist merkwürdig, denn allein in Hamburg kommen rund 80.000 Tonnen Gewürze jährlich an. Der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland liegt aber nur bei etwa 550 Gramm. Dabei liegt Pfeffer weit vorn, was sich allerdings bald ändern könnte. Taeger glaubt, dass in Deutschland Kochshows einen neuen Gewürzboom ausgelöst haben. An der Spitze steht die Chilischote: „Besonders die Männer sehnen sich nach Schärfe“, sagt Taeger.

Dabei gerät das Testen der Chilisorten schnell zur Heldentat. Schon der Chili- bzw. „Feuerstreuer“ verspricht einen hochroten Kopf, von der Intensität des „Jamaica Jerk“ oder des „Vicion’s Vampire“ ganz zu schweigen. Spätestens nach dem „Streuer für Freunde des verschärften Vampirbisses“ naht dann das Ende des Besuchs im 125 Jahre alten Speicher.

Weniger gefährlich, aber genauso aufregend ist die Tonkabohne. Sie duftet nach Vanilleschoten, Rum, Waldmeister, Heublumen und Bittermandeln. Früher hat sie Pfeifentobak aromatisiert, heute ist sie ein Christstollengewürz. Sie eignet sich aber auch für Wildragouts.

Aufschlussreich sind auch die ausgestellten Bücher, die von der Heilwirkung der Gewürze sprechen. So wirkt Zimt stimmungsaufhellend, appetitanregend und gleichzeitig verdauungsfördernd. Koriander und Sternanis helfen bei Magen-, reiner Koriander bei Darmbeschwerden. Kardamom kuriert Mundgeruch. Muira-Puama, auch Potenzholz genannt, findet sich dagegen im „Liebestrunk“ wieder: eine Teesorte, die Weihnachten als Fest der Liebe beim Wort nimmt und sexuell stimulieren soll.

Dieselbe Wirkung soll auch die im Museum gezeigte Muskatnusskette der Designerin Kristina Bonevart haben. Für ihre Schmuckreihe „Spices of life – wenn Gewürze Erinnerungen wecken“ hat Bonevart getrocknete Gewürze, Samen, Kapseln und Körner mit Edelmetallen und Edelsteinen kombiniert.

Weihnachtsausstellung „Kanehl, Koriander und Kurioses“: bis 31. 12. 2014, Spicy’s Gewürzmuseum, Hamburg, Am Sandtorkai 34. Sonstige Kultur- und Geschenkangebote: www.spicys.de