SCHRIFT UND AUßERIRDISCHE SPUREN: China, Mond und zurück
Hajo Schiff
Nicht nur kunsthistorisch ist es interessant zu sehen, wie junge Künstler den großen Vorbildern ihre Referenz erweisen. Das Künstlerhaus und Abbildungszentrum Frise hat mit seiner Reihe „Crossing Differences“ so einen Ausstellungstyp entwickelt: Im Sommer setzten sich junge Venezianerinnen mit dem italienischen Konzeptkünstler Alighiero Boetti auseinander. Nun geht es um die Hamburger Schreibkünstlerin Hanne Darboven und den aus Brasilien stammenden konkreten Maler und Graphiker Almir Mavignier mit seinen Punktesystemen.
Eine Reihe von Fragen haben sie diskutiert: Wenn Schrift zur Kunst wird, was passiert, wenn sie nicht mehr dekodiert werden kann? Was passiert, wenn das europäische Alphabet oder die chinesische Kalligraphie für die Betrachter nicht lesbar sind, wenn ihnen statt Bedeutung nur inhaltsleere, schöne Form bleibt? Kann in der Struktur des Schreibens an sich so etwas wie ein universeller Code stecken? Und ein neues Verständnis?
„Ich schreibe, aber ich beschreibe nichts“ ist eine Sentenz der 2009 verstorbenen Hanne Darboven. Das Projekt „DE_SCRIPT_ION“ fragt nun, wie kulturspezifisch Kunst mit Schrift ist und ob sich eine global verständliche „Kunst-Schrift“ entwickeln lässt. Diese grundlegenden Fragen werden zum Kern eines kleinen chinesisch-deutschen Künstleraustausches, der damit vertiefend das Thema der offiziellen „ChinaTime“ aufgreift, die sich dieses Jahr besonders um die alten und neuen Arten der Kalligraphie dreht.
Aus China kommen Yue Liang und Yin Yi. Sie treten mit Katja Lell und Carsten Benger aus Hamburg zur Erforschung eines universellen Codes in Dialog und alle messen sich mit den Werk-Ideen von Darboven und Mavignier.Künstlerhaus Frise, Arnoldstraße 26, Fr–So 16–20 Uhr. Bis 23. November
Das kann ja lustig werden: Kaum ist der twitternde deutsche Astronaut Alexander Gerst von der Internationalen Raumstation ISS zurück auf der Erde, fliegen Martin Nill und Thorsten Tenberken alias „Jules“ und „Verne“ mit einem scheppernden, rappelnden und blinkenden Raumschiff zum Mond – wo sie übrigens auch schon öfter waren, Bruchlandungen inklusive. Während andere von da oben aber Steine mitbrachten, ist es bei ihnen natürlich Kunst. Das ist gar nicht so verwunderlich, schließlich wurden die viel bekannteren amerikanischen Mondlandungen ja auch künstlich im Studio inszeniert, oder?
Nill und Tenberken verstehen zumindest das Kunstatelier als so etwas wie einen außerirdischen Expeditionsraum. Jetzt zeigen sie ihre spacige, genreübergreifende Kunst erstmals gemeinsam und bringen Videos, Objekte und Bilder an einen leichter zugänglichen Ort mitten in Hamburg. Und wer weiß, vielleicht gibt es gar Spuren extraterrestrischen Lebens zu entdecken? Jules und Verne – Männer im Mond: Westwerk, Admiralitätstraße 74. Di–Fr 15–19, Sa + So 12– 17 Uhr. Bis 23. November; www.westwerk.org
Aber noch mal zurück nach China: In einer eigens für das Projekt „Hamburg_Shanghai – Casino Weltgetriebe Dorf“ entwickelten, etwa 250 m[2]großen, begehbaren Raumskulptur des Hamburger Künstlers Jan Köchermann werden sechs Künstlerräume zur Verfügung gestellt. Bespielt wird das ganze, auch Bar und „Casino“ umfassende Raumgebilde von Yang Zhenzhong, Zhou Xiaohu und He Saibang aus Shanghai sowie dem Kollagenmeister Thorsten Brinkmann, dem eher figürlich arbeitenden Johannes Speder und eben Jan Köchermann mit Arbeiten, die Bezüge zur Skulptur, Installation, Film, Performance und sicher auch zur Kalligraphie aufweisen. Halle 4, Stockmeyerstraße 41, (Oberhafen), Mi–Fr 14–18, Sa + So 12–18 Uhr. Bis 30. November
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