Ausflug ins Analoge

STADTRUNDFAHRT Im zweiten Teil seiner Serie „Das Anadigiding“ am Schauspiel Hannover reist der Schauspieler und Kabarettist Rainald Grebe mit einem ganz altmodisch verkabelten Reisebus in die prädigitale Vergangenheit

Düster ragen vor den Fenstern des schummrig beleuchteten Reisebus die Schemen des verrotteten niederländischen Expo-Pavillons in den Abendhimmel. Ein Sinnbild für die Digitale Revolution sei das nur spärlich beleuchtete ehemalige Expo-Gelände, findet der Liedermacher, Schauspieler und Kabarettist Rainald Grebe: „Dort wo damals die Welt analog feierte, herrscht heute Dunkelheit“, sagt der 43-Jährige. In alten Zeitungsinterviews mit der ehemaligen Expo-Chefin Birgit Breuel habe er recherchiert: „Die hat damals stolz von 5 Millionen Klicks auf der Expo-Seite gesprochen.“ Heute aber stelle sich eher die Frage, ob eine Veranstaltung wie die Weltausstellung nicht im Internet besser aufgehoben sei.

Mit „Das Anadigiding“ hat Grebe in der vergangenen Spielzeit am Schauspiel Hannover seine Theater-Serie zur Digitalen Revolution gestartet. Nach der Eröffnungsrevue auf der großen Bühne will er nun im zweiten Teil „Die St@dtrundfahrt“ Schauspieler und Besucher mit dem Reisebus auf eine Stadtrundfahrt durch Hannover mitnehmen. Um die veränderte Bedeutung des Ortsbegriffs gehe es ihm dabei, betont Grebe: „Ich glaube, das Interessante bei dem Thema ist, dass man sich fragt, muss man überhaupt an einem bestimmten Ort gewesen sein, um ihn zu kennen?“

Heute könne man längst im Internet durch weit entfernte Städte wandeln. Sei man dann tatsächlich irgendwo angekommen, dirigiere einen das Smartphone durch die Straßen. In der Erkundung Hannovers in einem Reisebus mit analoger Audio-Verkabelung sieht Grebe dagegen „etwas sehr Altmodisches – das merken wir schon in den Proben.“ Der Bus selbst und der Verkehr seien deshalb neben den Schauspielern aus Fleisch und Blut wichtige Mitspieler: „Da weiß man auch nicht so genau, was der macht, ganz zu Schweigen von den 50 Leuten, die noch mit drinsitzen.“ Das werde eine echte analoge Erfahrung, ist Grebe überzeugt.

Auch Zwischenhalte seien eingeplant. „Wir besuchen zum Beispiel die Leibniz-Uni, wo noch die Rechenmaschinen aus der Anfangszeit des Computers im Foyer stehen.“ Wie die Reise in die Vergangenheit genau aussehen wird, will das Team aber erst kurz vor der Premiere entscheiden. „Wir haben nur sieben Tage Probenzeit“, sagt Grebe. „Aber genau das macht den Reiz aus.“

Im Gegensatz zu den Proben-Marathons „normaler“ Produktionen seien die Darsteller deshalb noch ganz frisch. „Wir hatten bereits sehr viel Spaß bei der ersten Busfahrt“, erzählt Grebe: ein bisschen habe so eine Reise immer etwas von einer Klassenfahrt.

Eines aber ist für Grebe jetzt schon klar: Die große Resonanz sei Ausdruck einer großen Sehnsucht nach Erlebnissen jenseits der Smartphone-Welt.ALEXANDER KOHLMANN

■ Sa, 15. 11., 19.30 Uhr, Treffpunkt: vor dem Schauspielhaus, Hannover