Letzte Aufforderung

Die taz nrw steht unmittelbar vor dem Aus. Den LeserInnen bleibt nur eine Woche, um per Abo das Wunder von Düsseldorf zu ermöglichen

Zehn Jahre schon kämpft die taz für eine gute und kritische Berichterstattung in Nordrhein-Westfalen. Seit 1997 stampften lokale Initiativen die regionale taz aus dem Boden. Sie produzierten wöchentliche Beilagen, später tägliche Seiten für Köln und das Ruhrgebiet. Und seit zwei Jahren schließlich die heutige taz nrw.

Zehn Jahre lang galt aber auch: Das Projekt lebt von der Hand in den Mund. Doch so knapp wie jetzt war es noch nie. Am 2. Juli werden Aufsichtsrat und Vorstand der taz-Genossenschaft beraten, ob die nrw-Beilage noch zu finanzieren ist. 1.000 neue Abos sollte eine seit April in NRW laufende Kampagne bringen. Nur rund 500 sind bisher zusammengekommen. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird die taz nrw den Sommer nicht überleben.

Damit würde nicht nur die taz ein paar ihrer Seiten verlieren und ein gutes Dutzend Mitarbeiter ihren Job. Auch der Presselandschaft an Rhein und Ruhr ginge ein einzigartiges Medium verloren. Eine Zeitung, die dem selbst ernannten Arbeiterführer Jürgen Rüttgers (CDU) auf die Finger schaut. Die der SPD erklärt, warum sie in der Opposition sitzt. Die die Grünen kritisch begleitet, „Die Linke“ nicht links liegen lässt und sogar erwähnt, dass die FDP mit auf der Regierungsbank sitzt. Wer bei der Landespolitik in NRW auf dem Laufenden bleiben will, muss taz lesen. Das sehen auch die Politiker so: Allein in der letzten Landtagsdebatte wurde die taz neunmal zitiert – von Rednern aller Fraktionen.

Zudem ist die taz das einzige Blatt in NRW, das nachhaltig ökologische Alternativen zum Braunkohlewahn benennt. Sie zeigt, wo neue Dreckschleudern geplant sind und was dagegen vor Ort unternommen wird. Keine andere Zeitung stellt die Kulturlandschaft NRW als das dar, was sie ist – ein städteübergreifendes Ganzes. Denn gute Kunst wirkt über Stadtgrenzen hinaus.

Die taz ist die Interviewzeitung in NRW – nirgendwo sonst kann man Akteure und Experten so oft im Wortlaut lesen. Nicht zuletzt ist die taz auch in NRW so respektlos, dass sich sogar die uns angeblich nahe stehenden Grünen regelmäßig die Haare raufen.

Mit all diesen Argumenten haben wir uns auf den Weg gemacht. Wir haben mit einer Debattentournee das Land bereist, wir haben auf der Straße und im Internet geworben, wir sind sogar eine Vertriebskooperation mit der WAZ eingegangen.

Zwei Faktoren aber machen es der taz schwer. Zum einen fehlt der taz-Genossenschaft das Kapital für dringend notwendige Werbemaßnahmen. Zum anderen ist die taz seit ihrer Gründung ökonomisch gesehen ein Irrsinn. Ein betriebswirtschaftlich denkender Verlag hätte das Projekt nrw-Seiten nie gestartet – oder wie die Süddeutsche Zeitung nach kurzer Zeit eingestellt.

10.000 zusätzliche Abos in NRW wären für die Finanzierung der Regionalseiten notwendig, hatte taz-Geschäftsführer Kalle Ruch vor zehn Jahren hochgerechnet. Die täglichen NRW-Seiten brachten der taz nur 1.000 zusätzliche. Das Projekt überlebte dennoch, dank des Engagements vor Ort. Später sollten fast 2 Millionen Euro für das Marketing in NRW bereitgestellt werden. Das Geld kam nicht zusammen. Die Redaktion stemmte die Öffentlichkeitsarbeit so weit wie möglich selbst.

Zuletzt ging sie dann bis zum Äußersten. Mit einer guten Portion Galgenhumor kaperte sie vor einer Woche die Internetseite www.kraft-2010.de, auf der die Landes-SPD mit ihrer Spitzenkandidatin Hannelore Kraft bis zur nächsten Landtagswahl im Jahr 2010 wunderbar werben könnte. Gegen 100 taz-Abos, so die Forderung, würde die Homepage den Sozen überlassen. Die SPD appellierte per Video im Internet an die Entführer (siehe taz.de/blogs/nrwblog). Die 100 Abos aber blieben bisher aus.

Weil wir die ökonomisch notwendige Auflagenhöhe noch nicht erreicht haben – und das wird Jahre dauern –, bleibt der taz nur ihr einzigartiges Kapital: ihre LeserInnen – als AbonnentInnen oder Mitglieder der Genossenschaft. Ihr Profit ist einzig das Erscheinen der taz. Vor allem in NRW mussten wir sie immer wieder um Hilfe bitten – mal drohend, mal bettelnd, mal spielerisch. So oft, dass viele nicht mehr an die besondere Dramatik der jetzigen Situation glauben wollen.

Nun bitten und betteln wir nicht mehr. Aber wir sagen ganz offen: Die Zukunft der taz nrw liegt in den Händen unserer LeserInnen. Nur wenn bis zum 30. Juni noch rund 500 neue Abonnenten hinzukommen, hat die Redaktion in Düsseldorf überhaupt noch die Chance, Aufsichtsrat und Vorstand der taz umzustimmen: Den obersten taz-Gremien reichen die bisher eingegangenen Abos vorne und hinten nicht. Denn kritischer Journalismus hat seinen Preis. Und wenn wir den nicht durch den Verkauf unserer Zeitungen einspielen können, muss die taz ihre Berichterstattung in und über Nordrhein-Westfalen einstellen.

500 Abos in einer Woche – das klingt utopisch. Aber die taz war von Anfang an ein utopisches Projekt. Zudem gibt es vorsichtig positive Meldungen aus unserer Abo-Abteilung. Deshalb glauben wir bis auf weiteres an das Wunder von Düsseldorf. GEREON ASMUTH

Sie wollen ein Abo? Telefon: (0 30) 25 90 25 90 Internet: taz.de/abo Weitere Infos: taz.de/nrw nrw-Werbeblog: taz.de/blogs/nrwblog Gereon Asmuth ist Leiter der Berlin-Redaktion und koordiniert die Kampagne der taz nrw