„Keine geweihten Orte“

Muslimische Derwische tanzen in einer Kirche

■ 52, Musiker und Komponist. Hat Musiktheorie, Ud und Sufimusik studiert und vor fünf Jahren in München das Pera Ensemble gegründet.

taz: Herr Yeşilçay, was tut ein Derwisch?

Mehmet Yeşilçay: Er versucht, im Tanz eine direkte Verbindung zu Gott aufzubauen.

Wie das?

Er dreht sich wie ein Elektron um den Atomkern. Oder wie ein Stern um einen Planeten. Er symbolisiert die allgegenwärtige Bewegung des Universums.

Und die Verbindung zu Gott?

Die schafft er, indem er die rechte Hand nach oben hält, um die Güte Gottes aufzunehmen. Mit der nach unten gestreckten Linken leitet er sie auf die Erde.

Muss er dabei zwingend Weiß tragen?

Es symbolisiert das Leichentuch. Für Sufis – die muslimischen mystischen Orden, denen die Derwische angehören – ist der Tod allgegenwärtig und nichts Böses: Er ist der Weg zurück zu Gott.

Was wird zum Tanz gespielt?

Sufi-Musik vom 16. bis zum 20. Jahrhundert.

Wer schrieb die Liedtexte?

Islamische Mystiker des 13. und 14. Jahrhunderts – vor allem Dschalal ad-Din Rumi und Yunus Emre. Oft macht sich der Schreiber darin vor Gott klein, dankt, bittet um Vergebung oder ruft Propheten an. In den meisten Texten geht es aber um Liebe – zu Gott und zu den Menschen.

Sie treten in einer Kirche auf. Passen Derwische da überhaupt hinein?

Ja. Im Islam gibt es keine geweihten Orte. Einige Rellinger Protestanten fanden aber, dass wir ihre Kirche entweihen. Die Pastorin hat sich dann hinter uns gestellt und wird vor dem Konzert eine Einführung geben.

Ist Mystik nicht ohnehin etwas Universelles?

Natürlich. Mystik gehört zu jeder Religion. INTERVIEW: PS

Konzert des Pera-Ensembles: 20 Uhr, Evangelische Kirche, Hauptstr. 27a, Rellingen. Einführung: 19.30 Uhr, Gemeindehaus