Ausweg aus der Ehe nur für Reiche

PHILIPPINEN Das erzkatholische südostasiatische Land ist neben dem Vatikan das weltweit einzige ohne Scheidungsrecht. Die Versuche einer Partei, dies zu ändern, dürfte die Kirche erneut vereiteln

VON HILJA MÜLLER

PEKING taz | Wenn Evelina Maranang einmal im Jahr nach Hause auf die Philippinen fliegt, ist ihre Vorfreude nicht ungetrübt. „Ich kann es kaum erwarten, meine Kinder wieder in die Arme zu schließen. Aber ich muss aufpassen, dass ich meinem Mann nicht begegne“, sagt die 42-Jährige, die als Haushaltshilfe in China arbeitet.

Maranang ist eine von mehr als 10 Millionen Philippinern, die im Ausland Geld verdienen, damit die Familie zu Hause überlebt. Ihr Mann hat keinen Job, seine Zeit verbringt er beim Kartenspiel, die Kinder ziehen die Großeltern auf. „Jetzt hat er überall Schulden, und will, dass ich die bezahle. Seine Gläubiger sind auch hinter mir her, ich bin ja seine Frau“, erzählt Maranang. „Dabei liebe ich ihn schon lange nicht mehr, und wünschte, ich wäre nicht mit ihm verheiratet.“

Doch wie unzählige Landsleute steckt sie in einer Ehe fest, die mit Liebe und Fürsorge nichts mehr zu tun hat. Die Philippinen sind neben dem Vatikan das weltweit einzige Land ohne ein Recht auf Ehescheidung. Und es sind die Vertreter des Vatikans, die dafür sorgen, dass dies so bleibt. Das einst von den Spaniern christianisierte Land ist erzkatholisch, mehr als 80 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zu diesem Glauben. Ungehindert mischen sich die Kirchenvertreter in gesellschaftspolitische Belange ein und drohen gern von der Kanzel, um Politiker auf katholischem Kurs zu halten.

Das Thema Scheidung ist ein rotes Tuch für die schwarz gekleideten Kirchenmänner: Dieses Teufelswerk würde nur zum Auseinanderfallen von Familien und zu gestörten Kindern führen, erboste sich die Katholische Bischofskonferenz der Philippinen während einer Plenumssitzung. Dass das Gebot der Treue und die Institution der Ehe auf den Philippinen längst nicht mehr heilig sind, wird geflissentlich ignoriert. Die Realität in dem südostasiatischen Land ist nicht anders als im gern als schlechtes Beispiel zitierten Westen: Viele Ehen scheitern, Frauen bleiben in der Regel mit den Kindern sitzen – ohne Anspruch auf Unterhalt. Und ohne Chance, legal ein Leben an der Seite eines neuen Partners aufbauen zu können.

Diesen Zustand versucht die linke Frauenpartei Gabriela schon seit vielen Jahren zu ändern. Regelmäßig bringt sie Gesetzesvorlagen im Kongress ein, die Scheidung und Unterhaltsregelungen ermöglichen würden. Luzviminda Ilagan verficht die jüngste Version. „Sie sieht die Möglichkeit einer Scheidung nach Filipino-Art vor“, erklärte die Politikerin. Das heißt, dass die Auflagen – etwa eine vorherige fünfjährige Trennung – vergleichsweise streng sind.

Helfen würde dieses Gesetz vor allem jenen, die sich nicht wie die Reichen des Landes eine Annullierung ihrer Ehe leisten können. Wer indes umgerechnet mehrere tausend Euro für ein ihn für eheunfähig erklärendes psychiatrisches Gutachten und ein Gerichtsverfahren hinblättern kann, muss nicht fürchten, für ewig an den falschen Partner gebunden zu sein. „Bei uns haben nur die Reichen eine Chance, aus kaputten Ehen heil rauszukommen. Das muss aufhören“, sagt Ilagan kämpferisch.

Zwar gibt es im Kongress auch Unterstützer, doch wenige Politiker wagen es, ihre Meinung öffentlich zu machen. Gerade jetzt, wenige Monate vor dem im Januar 2015 geplanten Philippinen-Besuch von Papst Franziskus, haben die Geistlichen kein Problem, ihren Einfluss auf Politiker und Wähler geltend zu machen.

Obgleich die Reise des Papstes laut Radio Vatikan „geprägt sein wird von Barmherzigkeit und Mitgefühl“, wird sich an der bitteren Ehe-Realität von Evelina Maranang und vielen anderer Philippinern nichts ändern.