St. Pauli ist Meisterin

Die Rugby-Damen des FC St. Pauli holen mit einem 34:17-Sieg über den Heidelberger Ruderklub zum dritten Mal in Folge den Meistertitel. Das Erfolgsrezept ist der Teamgeist alter Klassenkameradinnen

von Jessica Riccò

St. Pauli ist Meister im Frauenrugby. Schon zum siebten Mal. „Ich kann zwar nicht genau sagen, warum ausgerechnet wir immer gewinnen“, meint Mannschaftskapitänin Nicola Jörn, „aber ich weiß, wieso die anderen verlieren: Zwanzig Minuten nach Spielbeginn fingen die Heidelbergerinnen an sich anzuzicken, dabei funktioniert Rugby eben nur, wenn man sich auch gegenseitig unterstützt.“

Bei ihrer letzten Begegnung mit dem Heidelberger Ruderklub – der eigentlich natürlich ein Rugbyklub ist, aus selbst den Spielerinnen unerklärlichen Gründen aber Ruderklub heißt – spielten die Paulianerinnen ein Unentschieden und gewannen damit in der Saison erstmalig nicht haushoch. Das Endspiel aber entschied St. Pauli gewohnt deutlich für sich. Was beiden Mannschaften in letzter Minute in die Quere kam, war das Wetter: Eine halbe Stunde vor Spielbeginn verwandelt ein Regenguss sondergleichen das Spielfeld in eine große, treibsandartige Schlammgrube.

Denn man to, Mädels. Mit Epileptikerhelm-ähnlichen Hüten und noch weiß-braunen, alsbald braun-braunen Trikots stürmen die 15 Hamburgerinnen das Feld und demonstrieren, wo das Spiel vornehmlich stattfinden wird: Auf der Spielfeldhälfte der Heidelbergerinnen.

Wie ein großer 30-beiniger Käfer schieben die Paulianerinnen die gegnerische Mannschaft immer wieder zurück und scheren sich einen Dreck um den Dreck. Woher St. Pauli so einen starken Teamgeist hernimmt, lässt sich leicht erklären: Trainer Jens Michau brachte einen Großteil seiner Familie im Rugbyverein unter – nicht zuletzt seine Tochter Freia. Über sie kamen vor etwa zehn Jahren ein paar Klassenkameradinnen auf den Geschmack, der harte Kern des Teams hat sich seither nicht geändert.

Dass ausgerechnet dieser Sport eine Mädchenclique die Pubertät über zusammenhält, leuchtet ein, denn anders als in Tanzschulen oder auf Ponyhöfen geht hier niemand seine eigenen Wege. Freia versuchte sich zwar auch mal im Gewichtheben, besann sich dann aber darauf, dass Rugby doch „ganzheitlicher ist und ein Kontaktsport“.

Kontakt bedeutet im Übrigen bei Rugby meistens, dass eine arme Spielerin den Ball in den Händen hält und um ihr Leben rennt, woraufhin sich 15 Spielerinnen der gegnerischen Mannschaft auf sie werfen. Kein Wattepusten also. Zwei der Spielerinnen vom Neckar verlassen unter Schmerzenstränen das Spielfeld, niemand kommt ohne den einen oder anderen blauen Fleck davon.

Freia kennt das, bei der letzten Europameisterschaft brach sie sich die Nase. „So richtig haben die Ärzte das nicht wieder hingekriegt,“ meint sie mit Blick auf ihre lädierte Gesichtsmitte. Trotz aller Ruppigkeit dieser Sportart habe sie aber nie ans Aufhören gedacht.

Auch ihre Teamkollegin Johanna Jahnke versuchte sich in anderen Sportarten. Die 24-Jährige suchte lange nach einem Sport, von dem man „so richtig schön Muskelkater“ bekommt. Bis vor fünf Monaten legte die Kunststudentin eine Babypause ein, bei einem Lehrgang der Nationalmannschaft stillte sie noch. Nun robbt sie wieder durch den Schlamm und balgt sich mit Heidelberg, Sohn Lasse und ihr Freund, auch er ein Rugbyspieler, sehen vom Spielfeldrand zu.

Mutti und ihre Freundinnen gewinnen, haushoch wie immer, und hinterlassen ein von Stollenabdrücken übersätes Schlachtfeld. Mit 34:17 siegen sie über Heidelberg und Vorurteile. „In der Schule gab es die Rugby-AG nur für Jungs,“ triumphiert Spielerin Verena Volz. „Heute haben wir bewiesen, dass Frauen richtig geiles Rugby spielen!“