Ein Minderheitler wird Präsident

RUMÄNIEN Klaus Johannis schlägt favorisierten Sozialdemokraten im zweiten Wahlgang. Viele Wähler waren unzufrieden mit korrupter Regierung. So konnte der Rumäniendeutsche trotz aller Ressentiments gewinnen

Das Ergebnis kann man mit der Wahl Obamas in den USA vergleichen

VON WILLIAM TOTOK

BERLIN taz | Der Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt) und Kandidat der heterogenen Christlich-Liberalen Allianz (ACL), Klaus Johannis (55), wird in den nächsten fünf Jahren als Präsident an der Spitze des rumänischen Staates stehen. In der Stichwahl am Sonntag erhielt er 54,5 Prozent der Stimmen. Seinen Herausforderer, den amtierenden Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei (PSD), Victor Ponta (42), wählten lediglich 45,5 Prozent.

Dabei hatten alle Umfragen auf einen Sieg Pontas hingedeutet. Beim ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatte er einen Vorsprung von fast 10 Prozentpunkten. Die spektakuläre Kehrtwende ist den zahlreichen Spätentschlossenen zu verdanken. Bei der ersten Abstimmung hatten nur 54 Prozent der Berechtigten abgestimmt, beim zweiten Mal waren es fast 10 Prozentpunkte mehr – die höchste Wahlbeteiligung seit 14 Jahren. Auch die über 300.000 Auslandsrumänen sollen überwiegend für den rumäniendeutschen Kandidaten gestimmt haben. Den Stimmungsumschwung sahen verblüffte Kommentatoren vor allem als Ausdruck der Unzufriedenheit mit einer ineffizienten, verlogenen und korrupten Regierung.

Ponta musste noch am Abend seine Niederlage eingestehen. „Das Volk hat immer recht“, sagte er in die Fernsehkameras. Derweil forderten Tausende von Johannis-Sympathisanten in Bukarest und anderen Großstädten bei Spontandemonstrationen Pontas Rücktritt. Doch Ponta will bleiben, auch als PSD-Chef. Als Präsident hätte er laut rumänischer Rechtslage alle Ämter und auch die Parteimitgliedschaft abgeben müssen.

Die Machtbefugnisse des künftigen Präsidenten Klaus Johannis sind nicht zu unterschätzen. Er ernennt die Spitzen der Staatsanwaltschaft, also auch der für die Bekämpfung der Korruption verantwortlichen Spezialbehörden, sowie den Geheimdienstchef und den Ministerpräsidenten. Dessen Mannschaft bedarf ebenfalls der schriftlichen Zustimmung des Präsidenten. Der vertritt das Land zudem auf dem internationalen Parkett bei wichtigen Gipfeltreffen der Nato oder der EU. Viele Beobachter bezweifeln, dass Johannis den Bukarester Politikastersumpf mit seinen unterirdischen Seilschaften trockenlegen kann. Doch es besteht die Hoffnung, dass er wenigstens die bestehenden Spannungen zwischen Regierung und Präsidialamt entkrampft und eine vernünftige Kohabitation der beiden Institutionen anzukurbeln vermag. Zwischen dem intriganten Präsidenten Traian Basescu und der Regierung hatte ein Dauerstreit geschwelt.

Die Wahl eines Vertreters der deutschen Minderheit in das höchste Amt im Staat ist von historischer Bedeutung. In einer Schmähschrift hatte noch vor wenigen Tagen der publizistisch tätige Securitate-Offizier Vasile Zarnescu der deutschen Minderheit unterstellt, sie trage die Verantwortung für die internationale Verunglimpfung des mittelalterlichen Fürsten Vlad als blutdürstigen Dracula: „Hätte Vlad damals alle Deutschen aus Siebenbürgen gepfählt, dann gäbe es heute auch keinen Johannis.“

Die Wahl markiere einen qualitativen Sprung und könne mit der Wahl von Obama in den USA verglichen werden, erklärte der Schriftsteller Ion Bogdan Lefter gegenüber der taz. Sie habe einen „außergewöhnlichen ethischen Stellenwert, der darin besteht, dass eine Mehrheit ihre Stimme einem Minderheitler gab, in dem sie einen Garanten für die Demokratie erblickte“.

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