daily dope (186)
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Der Kampf gegen Doping funktioniert im Radsport-Weltverband UCI bestechend einfach: Die Profis sind schuld am Medikamentenmissbrauch, sie allein. Weil sie nun mal böse Buben, wirklich durchtriebene Schlingel sind, müssen sie auch hart bestraft werden. Dopingsünder werden nicht nur zwei Jahre gesperrt, sie müssen, geht es nach dem Willen der UCI, auch noch einen kompletten Jahresverdienst zurückzahlen. Wenn der ertappte Radsportler aus Deutschland kommt und den Anti-Doping-Eid der Deutschen Sporthilfe unterschrieben hat, dann müsste er auch noch die Fördergelder zurückzahlen, die er über Jahre kassiert hat. Der radelnde Athlet wäre nicht nur stigmatisiert, er wäre auch finanziell ruiniert. Das ist ganz im Sinn der Radsportfunktionäre, der Sportärzte, der Physiotherapeuten, der Dopinghändler und der Hintermänner. Sie alle sind aus dem Schneider, denn der Athlet, mithin das schwächste Glied in der Kette des Betrugs, steht ja im Fokus einer entsetzten Öffentlichkeit. Er wird stellvertretend geopfert – aus reinem Opportunismus, auch aus purer Bequemlichkeit.

Dabei betreibt der Radprofi auf großer Etappenfahrt nicht nur den quälendsten und anstrengendsten Sport, den man sich vorstellen kann, wird von Routenplanern irrwitzige Anstiege hochgejagt, scheuert sich den Hintern wund und lebt mit einem hohen Sturzrisiko, also einer akuten Gesundheitsgefährdung, nein, er muss auch im sportpolitischen Getriebe seinen Kopf zwischen die Zahnräder stecken. Warum? Weil es immer so gewesen ist und weil er es ist, der mit einem positiven Dopingbefund in der Zeitung steht. Nicht sein Teammanager wird zuerst an den Pranger gestellt, auch nicht die hohen Herren der UCI, der gefallene Held der Landstraße trägt fast allein die Last der Lauterkeit. Er kann nur daran zerbrechen, zumal er sich in einem ausbeuterischen System bewegt. Der Radprofi betreibt Raubbau an seinen eigenen Kräften – und er muss darüber hinaus gleich mehreren Parteien zu Diensten sein: den Zuschauern, den Medien, seinem Rennstall, seinem Kapitän, den Funktionären etc. Er ist der Superdomestike. Es liegt nahe, dass er gegen die Auszehrung und extreme Beanspruchung angeht und zu verbotenen Mitteln greift. Tut er es und wird erwischt, dann stabilisiert er das System. Und die UCI atmet auf. Man merke sich: Schuld ist immer der Radler. Im Grunde gehört er hinter Gitter. Oder doch eher die Funktionäre der UCI? MARKUS VÖLKER