wildeisens lesezeichen
: Konzentrierter Unsinn

James Krüss’ Sprachwitz und Alexandra Junges Kunst feiern die Zweckfreiheit in „Wenn die Möpse Schnäpse trinken“. Alter: ab 4 Story: Das Gedicht „Wenn die Möpse Schnäpse trinken“ aus dem „wohltemperierten Leierkasten“ von James Krüss hat die Illustratorin Alexandra Junge beim Wort genommen und in Bilder vom großer Erzählkraft umgesetzt. Vierzehn Gedichtzeilen auf vierzehn Doppelseiten werden ganz von je einem farbenprächtigen Gemälde ausgefüllt. Zu sehen ist, wie Giraffen Affen fangen, wie Ochsen boxen und was passiert, wenn Möpse Schnäpse trinken. Am Ende erblickt man im gedämpft beleuchteten Zuschauerraum empörte, lachende, buhende, sinnierende, grinsende Tiergesichter: „Dann entsteht zwar ein Gedicht, aber sinnvoll ist es nicht!“ Leserausch: Alexandra Junge hat die kurzen Reimzeilen in gemalte Situationen übersetzt, in denen sich Geschichten verdichten: Was kocht Mutter Biber für ihr fieberndes Kind? Bekommt es Medizin aus allen auf dem Tisch verteilten Fläschchen, Päckchen und Tuben? Warum fährt der Schafsbock im Auto eine Torte durch die Gegend, während an den Stangen Schlangen hängen? Welcher boxende Ochse gewinnt den Kampf? Der mit den dünneren Armen, der so entschlossen guckt, oder der, dessen Hörner so kraftlos aussehen, der aber mehr Muskeln hat? Potter-Faktor 4 Weltwissen: Die sinnlosen Wortspiele treffen ins Wespennest der Kreativität. Angestachelt von James Krüss’ Sprachwitz entfalten Kinder höchst eigenwillige Reime. Da die sich reimenden Wörter in der Zeile nebeneinander stehen – wenn im Schlafe Schafe blöken –, wird das Selbstreimen einfach und zum unbändigen Spaß. Es bestimmen eben nicht möglichst viele Informationen und anwendbares Wissen den Wert eines guten Kinderbuchs, sondern seine kreative Durchschlagskraft. Nicht die Masse macht’s, sondern die Inspiration, selbst denken, dichten und forschen zu wollen. Der Aufbau-Verlag setzt in mit seinem edel gestalteten Bilderbuchprogramm ganz auf gehobenere Ansprüche. Die auf gutem Papier gedruckten Bilderbücher mit Leinenrücken scheinen für Kinderhände fast zu schade. Aber: Hier erfahren Kinder, dass in edlen Büchern auch richtig schöner Blödsinn stecken kann. Pisa-Faktor 4 Alexandra Junge zeigt, zu welch farbenprächtigen Gemälden Krüss’ konzentrierter Unsinn inspirieren kann. Schön, dass es Künstlerinnen gibt, die genug Chaos in sich haben, um solche Bilderbuchsterne zu gebären. SARAH WILDEISEN

James Krüss, Alexandra Junge: „Wenn die Möpse Schnäpse trinken“. Aufbau Verlag, Berlin 2007, 32 Seiten, 15 €