Korrupte Polizisten

INNENAUSSCHUSS Der ehemalige Generalstaatsanwalt Lord Ken Macdonald belastet die Polizei

Er habe „drei bis fünf Minuten“ gebraucht, um festzustellen, dass die News of the World Schmiergelder an Polizisten im großen Stil bezahlt habe, sagte der frühere Generalstaatsanwalt Lord Ken Macdonald am Dienstag im Untersuchungsausschuss des Innenministeriums. Das hätte ein „Blinder merken können“.

Macdonald war im Frühjahr von Anwälten des Medienunternehmers Rupert Murdoch beauftragt worden, die News of the World zu untersuchen. Bereits bei der Überprüfung der ersten E-Mails sei ihm klar geworden, dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden müsse: „Es lagen Beweise für ein schweres Verbrechen vor.“ Im Juni legte er das Material dem Aufsichtsrat vor. Rupert Murdoch leitete die Sitzung. „Sie waren fassungslos. Ich sagte, das Material müsse der Polizei übergeben werden. Es gab keinen Widerspruch.“

Während des Prozesses gegen den Privatdetektiv Glenn Mulcai und gegen den Königshausreporter der News of the World, Clive Goodman, war Macdonald Generalstaatsanwalt. Beide wurden 2007 zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. Normalerweise wird die Generalstaatsanwaltschaft bei solch geringfügigen Straftaten nicht informiert, doch in diesem Fall ging es um das Anzapfen von Telefonen des königlichen Haushalts.

Die Mitglieder des Unterhausausschusses warfen Macdonald vor, dass die Generalstaatsanwaltschaft den Begriff Abhören zu eng definiere. Zwar gebe es ein Gesetz aus dem Jahr 2000, wonach das Abhören von Telefonen in jedem Fall strafbar sei, doch laut Generalstaatsanwaltschaft sei es nicht illegal, eine Mailbox anzuzapfen, sofern der Eigentümer seine Nachrichten bereits abgehört habe. Diese Interpretation habe die Ermittlungen der Polizei behindert, sagte Ausschussmitglied Mark Reckless von den Tories.

Zudem habe Murdochs Unternehmen News International alles unternommen, um die polizeiliche Untersuchung in den Jahren 2005 und 2006 zu hintertreiben, stellte der Ausschuss in seinem am Mittwoch veröffentlichten Bericht fest – rechtzeitig für die Unterhausdebatte, die Premierminister David Cameron anberaumt hatte. Sein inzwischen zurückgetretener Kommunikationschef Andy Coulson war zum fraglichen Zeitraum Chefredakteur der News of the World. RALF SOTSCHECK