Kein Platz für Osteuropäer

NOTUNTERKUNFT Die Sozialbehörde wirft 60 Obdachlose aus dem Pik As. Für „Touristen“ aus Osteuropa sei die Unterkunft zu überfüllt

Vor zwei Jahren ergab eine Befragung der Sozialbehörde, dass unter den damals 1.029 obdachlosen Menschen immer mehr Ausländer sind.

■ Gestiegen ist der Anteil ausländischer Wohnungsloser von 2002 bis 2009 von 17 auf 27 Prozent.

■ Überrepräsentiert sind sie damit unter den Obdachlosen – nur 14.8 Prozent der Gesamtbevölkerung sind Ausländer.

■ Gegenwärtig wird die Zahl von offen auf der Straße lebenden Ausländern auf 252 geschätzt. Tatsächlich aber dürften es fast doppelt so viele sein.

Jeden Winter sind Hamburgs Notunterkünfte überfüllt. Aber jetzt platzen sie auch im Hochsommer aus allen Nähten. Die Sozialbehörde hat nun eine Möglichkeit gefunden, um Platz zu schaffen, und hat knapp 60 Obdachlose aus Osteuropa aus der Notunterkunft Pik As geworfen. Die Behörde begründet diesen Schritt damit, dass diese Männer Touristen seien und das Pik As als kostenlose Unterkunft missbrauchten.

„Drei Nächte kann jeder im Pik As übernachten“, sagt Julia Seifert, Sprecherin der Sozialbehörde. „Danach muss gehen, wer verdächtigt wird, das Angebot nur auszunutzen.“ Wer arbeite, sich aber kein Hotelzimmer leisten wolle, erhalte die Adresse einer günstigen Pension. Und wer wirklich auf der Straße wohne, aber keine Ansprüche auf Sozialleistungen habe, werde an das Konsulat seines Heimatlandes vermittelt. Viele Osteuropäer würden mit einem Touristenvisum anreisen und hätten hier keinerlei Anspruch auf Sozialleistung. „Diese Menschen haben nur eine Chance, wenn sie in das soziale Sicherungssystem ihrer Heimatländer zurückkehren“, sagt Seifert. „Hier verelenden sie.“

„Es kann nicht angehen, dass man einen Bedürftigen vor die Tür setzt, mit der Begründung, er sei ja lediglich Tourist“, sagt Birgit Müller, Chefredakteurin des Straßenmagazins Hinz&Kunzt. Dass sich Arbeitnehmer Zugang zum Pik As verschafften, um Übernachtungskosten zu sparen, kann sie sich nicht vorstellen. „Jeder, der mal im Pik As war, weiß: Wer sich eine andere Unterkunft leisten kann, geht mit Sicherheit nicht in diese Notschlafstelle.“

Es sei die Pflicht der Kommunen, für die Unterbringung von Obdachlosen zu sorgen, sagt Stephan Nagel vom Diakonischen Werk Hamburg. „Und zwar unabhängig von Staatsangehörigkeit und sozial-rechtlichem Status.“ Mit der Rede von „Touristen“ suggeriere die Sozialbehörde, das bestehende Angebot werde missbraucht. Entscheidend im rechtlichen und humanitären Sinne sei jedoch einzig, ob jemand bedürftig sei.

Für die kommende Woche hat die Sozialbehörde Vertreter der Botschaften von Polen, Bulgarien und Rumänien zum Gespräch gebeten. „Wir wollen erreichen, dass sie uns behilflich sind, den obdachlosen Ausländern in deren Heimatländern wieder Perspektiven zu eröffnen“, sagt Seifert. „Gerade im Hinblick auf den kommenden Winter.“

Vor den kalten Monaten warnt auch Müller von Hinz&Kunzt: „Wird der Senat jetzt nicht aktiv, werden wir einen äußerst herben Winter erleben.“ DBÜ