ÜBERLISTET
: Rave on

Wenn ich jetzt jogge, dann mit der richtigen Musik im Ohr

Ich habe wieder angefangen zu joggen. Drei Mal die Woche laufe ich eine große Runde über das Tempelhofer Feld.

Ich bin eine sehr langsame Läuferin, das war ich schon immer. Aber ich habe gehört, dass man sich beim Joggen, wenn man es denn richtig macht, noch gut mit jemandem nebenbei unterhalten können müsste. Wenn man das kann, hat man die Ebene des sogenannten „deuxieme soufle“, des zweiten Atems, erreicht. Ich habe zwar niemanden neben mir beim Rennen, mit dem ich mich unterhalte, aber wenn ich wollte, könnte ich es. Da bin ich mir sicher.

Joggen soll ja Glückshormone freisetzen, nur bis heute habe ich nie etwas davon gemerkt. Bei jedem Schritt habe ich mich gefragt: „Wie lang muss ich noch laufen?“ und „Warum ist das denn so anstrengend?“ Eine halbe Stunde lang, immer nur wieder diese zwei Sätze. Das macht keinen Spaß.

Aber seit einiger Zeit überliste ich meinen Körper. Die einzige Sache nämlich, bei der ich jemals richtig Ausdauer gezeigt habe, ist das Tanzen. Das Tanzen im Berghain. Wenn ich jetzt joggen gehe, mache ich das nur mit der richtigen Musik im Ohr.

Für meinen Verstand bin ich am tanzen und mein Körper rennt und rennt und rennt und wird nicht müde, er wird nur immer wärmer und immer entspannter.

Ricardo Villalobbos im Ohr und den Geruch von frisch gebackenen Keksen in der Nase, der vom Bahlsenwerk herüber weht, so renne ich nun über das Tempelhofer Feld. Immer öfter. Immer länger. Und immer lieber. Manchmal stoße ich beinahe mit einem Kiteskater zusammen, manchmal raubt mir ein starker Gegenwind den Atem und manchmal fliege ich beinahe mit eben diesem starken Wind im Rücken.

Und ganz oft kann ich jetzt beim Joggen den Geschmack von eiskaltem Jägermeister auf der Zunge spüren. MAREIKE BARMEYER