Teilerfolg für Kirche

JUSTIZ Bundesverfassungsgericht hebt Entscheidung zugunsten von Chefarzt auf, dem ein katholisches Krankenhaus nach Wiederheirat gekündigt hatte

KARLSRUHE taz | Das Bundesverfassungsgericht hat die staatliche Kontrolle des kirchlichen Arbeitsrechts eingeschränkt. Wie schwerwiegend ein Verstoß gegen religiöse Vorgaben ist, dürfen nur die Kirchen und ihre Einrichtungen entscheiden. Derartige Wertungen dürften von staatlichen Gerichten nicht relativiert werden.

Konkret ging es um den Fall eines Arztes, der als Chefarzt am katholischen Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf arbeitete. Seine erste Ehefrau trennte sich im Jahr 2005 nach langer Ehe von ihm, 2008 wurde die Ehe schließlich geschieden. Doch der Mediziner blieb nicht lange allein. Ab 2006 lebte er eheähnlich mit einer Assistenzärztin zusammen, die er zwei Jahre später auch heiratete.

Klinik kündigte Chefarzt

Als die Klinik von der neuen Ehe des Chefarztes erfuhr, kündigte sie dem Beschäftigten. Nach katholischer Lehre ist eine einmal geschlossene Ehe unauflöslich, die Scheidung durch ein staatliches Gericht wird nicht akzeptiert. Eine neue Ehe gilt deshalb als „ungültig“. Die Klinik berief sich auf den Arbeitsvertrag, in dem sich der Arzt zur Einhaltung der „Grundordnung“ für kirchliche Arbeitsverhältnisse verpflichtet hatte. In dieser Grundordnung heißt es, die Mitarbeiter dürfen „in ihrer persönlichen Lebensführung“ die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht gefährden. Als schwerwiegender Loyalitätsverstoß gilt unter anderem der Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis der Kirche ungültigen Ehe.

Der Arzt klagte zunächst erfolgreich gegen die Kündigung. Das Bundesarbeitsgericht bekräftigte 2011 zwar das Selbstbestimmungsrecht kirchlicher Einrichtungen. Im konkreten Fall relativierten die BAG-Richter jedoch die Bedeutung des Wiederheiratsverbots. Kirchliche Kliniken hätten in anderen Fällen bereits katholische Chefärzte trotz zweiter Ehe weiterbeschäftigt. Außerdem habe die Klinik die nichteheliche Lebensgemeinschaft des Arztes auch toleriert.

Dagegen erhob der katholische Träger der Klinik mit Erfolg eine Verfassungsbeschwerde. Die Karlsruher Richter hoben das BAG-Urteil auf, weil das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Wenn die Kirche im Falle einzelner Chefärzte kompromissbereit war, dürfe das nicht gegen sie verwendet werden. Außerdem sei die Wiederheirat nach katholischem Selbstverständnis schlimmer als ein Ehebruch.

Neue Entscheidung

Karlsruhe verlangt nun eine zweistufige Prüfung. Zunächst müsse das betroffene Selbstverständnis der jeweiligen Kirche festgestellt werden. Dieses sei zu beachten, soweit es nicht gegen „grundlegende verfassungsrechtliche Gewährleistungen“ verstößt, was hier nicht der Fall sei. In einer zweiten Stufe sei das kirchliche Interesse dann mit dem des Arbeitnehmers abzuwägen. Dabei ist vor allem zu prüfen, ob für diesen die kirchlichen Anforderungen vorab erkennbar waren.

Das Bundesarbeitsgericht muss nun erneut über den Fall entscheiden. (Az. 2 BvR 661/12)

CHRISTIAN RATH