Der Traum ist ausgeträumt

ERWACHEN Das Bremer Musicaltheater war ein Flop. Heute gehört das Haus zur Stage-Konkurrenz „Mehr! Entertainment“ und ist eine schicke Spielstätte, in der es Musicals nur noch als Gastspiele gibt

Der damalige Bremer Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) träumte von einer durchschnittlichen Musical-Laufzeit von drei Jahren

Nach den Jahren mit Pech und Pannen ist es ruhig geworden um das Bremer Musicaltheater. Rund 150.000 Gäste gingen da jedes Jahr hindurch, sagt Geschäftsführer Claus Kleyboldt. Der Betrieb schreibe zwar immer noch keine schwarzen Zahlen, aber das Theater sei auf einem guten Weg.

Seit die Düsseldorfer „Mehr! Entertainment GmbH“ das Theater 2011 übernommen hat, hat man sich von der Idee verabschiedet, ein Musicaltheater zu betreiben. „Davon ist nur noch der Name übrig geblieben“, sagt Kleyboldt freimütig – weil der eingeführt ist. De facto ist es eine Spielstätte, in der aufgrund ihrer technischen Ausstattung alles stattfinden kann: Shows, Varietés, Opern, Ballett und eben auch Musicals.

Doch Musicals sind in Bremen eben so eine Sache. Zuletzt war es der damalige Stadttheater-Intendant Hans-Joachim Frey, der 2009 mit Sylvester Levays „Marie Antoinette“ krachend scheiterte. Trotz des erheblichen Wettbewerbsvorteils eines subventionierten Betriebs und der Einbindung fast aller personellen Ressourcen seines Hauses fuhr das Abenteuer nicht wie erhofft vier Millionen Euro Gewinn ein, sondern verursachte ein Defizit in gleicher Höhe. Danach war Freys Engagement in Bremen rasch beendet.

Derzeit hat am Musicaltheater niemand den Ehrgeiz, eigene Veranstaltungen zu organisieren: „Wir nehmen, was auf dem Markt ist“, sagt Kleyboldt. So gastieren im kommenden Jahr das japanische Trommel-Wirbel-Ensemble TAO, „Stomp“ und Chris de Burgh im Bremer „Musical-Theater“, die Musicals „Das Phantom der Oper“ und „Die Schneekönigin“ werden jeweils nur an einem Abend aufgeführt. Das Musical „The Addams Family“ wird mit Start am 27. November immerhin eine ganze Woche angeboten. In der Saison, zwischen Oktober und März, hat das Haus fast täglich Programm, ist also vermietet.

Als das Bremer Theater 1999 eröffnet wurde, hatte man gehofft, im Windschatten des Hamburger Musical-Erfolgs segeln zu können. Der Bremer Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU), Major a. D., ehemaliger Hamburger Oppositionsführer und gewesener Kurzzeit-Innenminister von Sachsen-Anhalt, träumte von einer durchschnittlichen Musical-Laufzeit von drei Jahren. Doch schon nach einem halben Jahr begann es bei dem Eröffnungsmusical „Jekyll & Hyde“ zu kriseln – im Jahr 2000 konnte das Projekt als gescheitert gelten.

Der Umbau des ehemaligen Schwimmbads zu einem Musicaltheater gehörte neben dem „Space Park“ vor 20 Jahren zu den großen und teuren Flops der Bremer Wirtschaftsförderung. 54 Millionen D-Mark hatte die Spielstätte gekostet, die Wirtschaftsförderung trug das Risiko. Zur Begründung des staatlichen Engagements hatte Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller erklärt, dass ein „sogenanntes Großmusical noch auf viele Jahre ein unverzichtbarer Bestandteil eines leistungsfähigen touristischen Paketangebots darstellt“, sozusagen also den Städtetourismus herbeizaubert.

Die allgemeine Begeisterung steckte damals auch Bürgermeister Henning Scherf an. „Ich gebe zu, auch ich habe früher die Ausgaben für das Musical sehr skeptisch gesehen“, gestand er im Juni 2000 – nicht ahnend, dass die Besucherzahlen gerade in den Keller rutschten. Das Musicaltheater, so Scherf, habe sich „als Erfolg erwiesen. Ich habe mit meiner damaligen Kritik falsch gelegen“.

Mehr als zwei Millionen Euro Kredit muss die Bremer Finanzsenatorin nun bis 2018 jedes Jahr abtragen. Das Bremer Musicaltheater sollte eben besonders schick sein – und das ist es auch geworden. Der Saal hat 1.400 feste Sitzplätze und eine großes Foyer mit geschwungener Innentreppe über drei Stockwerke und einem gastronomischen Spitzenbetrieb. Das Musicaltheater bietet seine Nebenräumlichkeiten an für Weihnachtsfeiern großer Firmen, die etwas auf sich halten – das kostet 90 Euro pro Mitarbeiter-Nase. Die Musical-Karte ist darin allerdings nicht enthalten.  KLAUS WOLSCHNER