Loden-Kalle und die uneingeschränkte Solidarität

FC BAYERN Der Vorstandsvorsitzende ist nicht zimperlich und versteht sich auf Spannung, Präsentation und Geschäft

Eines kann man dem Bayern nicht vorhalten: dass er seinen Luxuskader in Watte packe und ihn den Tücken des Wettbewerbs nur zögerlich aussetze. Man muss sich nur die Verletztenliste anschauen

Gewiss, liebe Leser der taz-Leibesübungen, es ist ein Kreuz mit dem Wetter, der Bundesliga, der anstehenden Vorweihnachtszeit und dem Leben als solchen ohnehin. Doch nun, wo der Winter tatsächlich vor der Tür steht und die Nacht schon am Abend ihr hässliches Gesicht zeigt, ist es endgültig an der Zeit für Loden-Kalle, auf den Plan zu treten und die frohe Kunde zu verbreiten.

Gemeint ist damit nicht die grundsätzlich begrüßenswerte Vertragsverlängerung von Matthias Sammer als Generalbevollmächtigter für alles, was nicht die Kompetenzen Loden-Kalles und des restlichen Vorstands betrifft. Gemeint ist auch nicht die Rückkehr des legendären Uli H., nein, mit solchen Kinkerlitzchen hält der Mann weder uns noch sich auf. Er versteht wie kein Zweiter, die Spannung zu steigern: Nur scheibchenweise präsentierte der gut aussehende Vorstandsvorsitzende Details, die er an der anstehenden Jahreshauptversammlung des deutschen Rekordmeisters vor jubelnder Menge verlesen wird. Es sei kein Geheimnis, dass der Verein zum ersten Mal die magische Marke durchbrechen werde – heißt: 500 Millionen Euro Umsatz und mehr, genauer: 532 Millionen.

Und es kommt noch besser. Als Eigenheimeigner plant der FC Bayern vorausschauend. Denn Loden-Kalle versäuft nicht seiner Oma ihr klein Häuschen und die erste und die zweite Hypothek, nein, er zahlt mit barer Münze Zins und Zinseszins vorzeitig zurück: „Dafür haben wir im Jahr 2005 exakt 346 Millionen Euro in die Hand genommen, mit einem Finanzierungsplan, der auf 25 Jahre ausgelegt war, also bis 2030. Nun haben wir dieses Stadion bereits nach neuneinhalb Jahren abbezahlt!“

Wenn Loden-Kalle Geld in die Hand nimmt, dann sind das selbstverständlich furchtbare Nachrichten für die Konkurrenz. Denn Loden-Kalle lässt gar keinen Zweifel daran, was mit dem Geld zu tun ist. Eine zweite Arena nebenan, das kommt nicht in Frage. Nein, das Geld soll in die eigene Mannschaft fließen und dann Gnade Gott der Konkurrenz, die schon jetzt überhaupt keinen Spaß hat.

Aber Loden-Kalle wäre nicht Loden-Kalle, würde er nicht immer auch an das große Ganze Denken. Denn eines kann man dem Bayern ja wirklich nicht vorhalten: dass er seinen Luxuskader in Watte packe und ihn den Tücken des Wettbewerbs nur zögerlich aussetze. Man muss sich ja nur die Verletztenliste anschauen. Soll die Konkurrenz doch sehen, was sie damit anfängt, mag sich Loden-Kalle zunächst gedacht haben. Doch die rätselhafte Verletzung von Capitanino Philipp Lahm (ohne Einwirkung von Gegner oder gar Trainingspartner) lässt noch tiefer blicken in das bayrische Verständnis von Chancengleichheit – da opfern sie sogar den besten Mann. So ist es mit der bayrischen Solidarität. Verbindlich, uneingeschränkt, aufwändig bis zur Selbstaufgabe. STEFAN OSTERHAUS