Obama im Alleingang

USA Unter heftigem Protest der Republikaner stellt Präsident Obama sein Dekret gegen Abschiebungen vor

AUS NEW YORK DOROTHEA HAHN

„Wir sind ein Land von Einwanderern“, sagt Barack Obama, als er am Donnerstagabend in einer Fernsehansprache seine neue Einwanderungspolitik vorstellt: „Wir waren alle einmal Fremde.“ Er will jenen Menschen, die mindestens fünf Jahre im Land leben und deren Kinder entweder in den USA geboren sind oder langfristige Aufenthaltsgenehmigungen haben, für drei Jahre Papiere geben. Weil der Kongress ihm die lang erwartete Reform verweigert hat, geht er im Alleingang vor. Per Dekret schützt er so geschätzt fünf Millionen Papierlose vor der Abschiebung.

Der Präsident erinnert daran, dass die Einwanderungspolitik der USA seit Jahrzehnten „kaputt“ ist und alle politischen Seiten das vielfach erkannt und benannt haben. Er bedauert, dass der Kongress bislang unfähig war zu agieren. Und er greift Punkt für Punkt Themen auf, die den Republikanern wichtig sind, zitiert aus der Bibel, beruft sich auf die frühen Siedler in den USA, erzählt Erfolgsgeschichten einer „jungen, dynamischen, unternehmerischen Gesellschaft“, beschreibt die Wichtigkeit der Familie in der Gesellschaft und würdigt ausführlich seinen Amtsvorgänger George W. Bush, der mit einem ganz ähnlichen einwanderungspolitischen Vorhaben an seiner eigenen Partei gescheitert ist.

Dennoch reagieren einzelne Republikaner mit Schaum vor dem Mund. Der kalifornische Kongressabgeordnete Darrell Issa nennt Obamas Alleingang „verfassungswidrig“.

Der künftige starke Mann im Senat, der Republikaner Mitch McConnell, hat gewarnt, dass der Präsident den Schritt „bereuen wird“. Aus dem Repräsentantenhaus sagt Sprecher John Boehner: „Er ist nicht unser König oder Kaiser.“ Dazu kommen offene Drohungen von Abgeordneten mit einem Amtsenthebungsverfahren.

Dabei wissen die Republikaner, dass sie künftige Präsidentschaftswahlen nicht ohne die Stimmen der Hispanics gewinnen können. Rechte Hardliner, aber auch der letzte republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, der „Selbstdeportationen“ vorschlug, haben diese Wähler verärgert.

Das Hadern mit einer „umfassenden Einwanderungsreform“ ragt auch tief in die demokratische Partei. Aus Rücksicht auf einige konservative demokratische Kandidaten hatte Obama das Dekret auf die Zeit nach den Halbzeitwahlen verschoben. Viele der Bremser verloren ihre Abgeordnetensitze trotzdem – oder vielleicht auch deswegen.

Die gegenwärtig aussichtsreichste demokratische Anwärterin auf Obamas Nachfolge, Hillary Clinton, hat das politische Potenzial des Dekrets für ihren eigenen Wahlkampf im Jahr 2016 erkannt. Noch am Donnerstagabend twitterte sie, dass sie diese Politik unterstütze.