Die normative Kraft des Statistischen

UMSTRUKTURIERUNG Ausgerechnet Bremerhaven soll die Arbeits-Agentur verlieren – weil ungeachtet der miesen Beschäftigtenquote die Zahl der Arbeitslosengeld I-BezieherInnen so formidabel gesunken ist

Nur 13 Prozent der Joblosen erfasst die Statistik als Arbeitslose. Die übrigen fallen unter Hartz IV

Ausgerechnet der Arbeitsagentur in Bremerhaven droht die Umwandlung zu einer bloßen Geschäftsstelle. Das geht aus Plänen der Bundesagentur für Arbeit hervor: Die plant eine Neustrukturierung ihrer Einrichtungen fürs Jahr 2012 – aufgrund rückläufiger Arbeitslosenzahlen.

„Der Bezug des Arbeitslosengeldes durch die Arbeitslosenversicherung ist hier um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen“, erläutert Roland Dupak, Geschäftsführer der örtlichen Agentur, den statistischen Effekt. „Da ist eine Anpassung an den Arbeitsmarkt notwendig.“ Laut Konzept soll die Seestadt künftig von der Agentur in Bremen und die Landkreise Wesermünde und Osterholz von Stade aus betreut werden.

Genau darin sieht die Kommunalverwaltung ein Problem: „Bremerhaven und umzu bilden einen gemeinsamen Wirtschaftsraum“, sagt Stadtrat für Arbeit, Klaus Rosche (SPD). Immerhin kommen rund 40 Prozent der ArbeitnehmerInnen in Bremerhaven aus den Nachbarkreisen. „So wird die Orientierung für Arbeitnehmer und Unternehmen erschwert.“

Das brächte außerdem zu lange Entscheidungswege mit sich. Ähnlicher Ansicht ist der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion der Grünen, Frank Willmann: „Die Zusammenlegung bedeutet bürokratisches Chaos“, warnt Willmann.

Für die örtliche Arbeitsagentur scheint die Reform hingegen frei von Hindernissen: „Das ist lediglich eine administrative Angelegenheit“, so Dupak. Nur die Geschäftsführung werde umstrukturiert. Von den Mitarbeitern der Agentur werde keiner gekündigt, das sei versprochen worden.

Auch für die „Kunden“ solle es keine Änderungen geben: Dienstleistungen, wie die Arbeitsvermittlung und -beratung verblieben vor Ort. Arbeitslose, die von der Arbeitslosenversicherung versorgt werden, bildeten in Bremerhaven ohnehin nur eine Minderheit: Nur 13 Prozent der faktisch Joblosen werden von der Statistik auch als Arbeitslose erfasst.

Die übrigen 87 Prozent fallen unter Hartz IV. Und für die gebe es ja nach wie vor das Jobcenter, so Dupak. Im Magistrat traut man der Argumentation indes nicht: „Wenn das so wäre, bliebe ja alles beim Alten“, sagt SPD-Mann Rosche.

Er und seine Mitstreiter wollen sich im Bremer Senat gegen die Reform einsetzen. „Wir haben doch schon ein Arbeitslosenproblem.“ Zwar ist nicht nur Bremerhaven von der Reform betroffen: Bundesweit soll es eine Verringerung der Agenturen von 176 Einrichtungen auf 156 geben. Allerdings gilt Bremerhaven weiterhin als die Stadt Westdeutschlands mit der schlechtesten Beschäftigten-Quote.

In den kommenden Wochen werden sich die Länder zur Umstrukturierung der Agentur beraten. Am 23.September will die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg eine Entscheidung treffen. LAURA KOCH