„Atatürk holte Deutsche“

AUSSTELLUNG Die Wanderausstellung „Haymatloz“ zeigt Deutsche im türkischen Exil von 1933 bis 1945

■ 32, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der Uni Bremen. Ihr Arbeitsbereich ist interkulturelle Bildung.

taz: Frau Korucu-Rieger, warum weiß man so wenig über die deutsch-türkischen Beziehungen zwischen 1933 und 1945?

Canan Korucu-Rieger: Es gibt zu wenig Publikationen. In Deutschland ist dieser Teil der Geschichte sogar noch weniger bekannt als in der Türkei. Für die Uni Istanbul ist der Zuzug der deutschen Wissenschaftler etwa auch heute noch von Bedeutung. Denn sie wurden mit der Gründung der Uni angestellt und haben zum Aufbau erheblich beigetragen.

Als der damalige Präsident, Atatürk, 1933 Deutsche einlud in die Türkei zu emigrieren, hatte er einen Rettungsgedanken, weil sich die Situation in Deutschland verschlimmerte?

Nein, eigentlich nicht. Es ging ihm um den Aufbau und die Modernisierung der Türkei. Er wollte hoch qualifizierte Leute – Wissenschaftler, Künstler, Ärzte. Er hat übrigens nicht nur Deutsche angeworben, sondern auch Menschen aus anderen europäischen Ländern.

Warum war die Türkei als Einwanderungsland attraktiv?

Die eingewanderten Deutschen waren Pioniere. Sie hatten quasi alle Möglichkeiten. Zu dieser Zeit bot man ihnen in der Türkei Stellen mit einem hohen Honorar. In Ankara wurde ein großes Krankenhaus, ein Opernhaus, ein Botanischer Garten und vieles mehr eröffnet, bei denen Deutsche die Leitung übernahmen. Bei ihrer Gründung hatte die Uni Istanbul 27 türkische und 38 ausländische Professoren.

Wie viele Deutsche sind langfristig in der Türkei geblieben?

Ungefähr sechs Prozent. Viele davon bis zur Emeritierung oder zum Tod. Die meisten sind nach dem Krieg nach Deutschland zurückgekehrt und für etwa 28 Prozent war die Türkei nur eine Durchreisestation. Die sind in die USA oder in die Schweiz weitergereist. INTERVIEW: LAURA KOCH

„Haymatloz“: bis 30. August, Haus der Wissenschaft.