Die Kleinstadtroboter

„Electroma“ ist der erste Daft-Punk-Film, bei dem die beiden Herren selbst Regie führen. Ihre Humanoiden-Parabel ist zwar irgendwie schön, aber nicht recht überzeugend

„Human After All“ war der Titel des bisher letzten Albums der französischen Elektro-Pioniere Guy-Manuel de Homem-Christo and Thomas Bangalter aka Daft Punk. „HUMAN“ steht auch auf dem Nummernschild des schwarzen Ferrari, mit dem sich zwei Figuren in Hedi-Slimane-Lederkluft und mit Motorradhelm-Roboterköpfen durch die Wüste Kaliforniens bewegen. Auf dem Rücken der Lederjacken der Daft-Punk-Schriftzug im Glam-Stil. Die beiden Figuren (von Peter Hurteau und Michael Reich gespielt) verkörpern also mutmaßlich Homem-Christo und Bangalter, die ihre Gesichter in der Öffentlichkeit und bei Konzerten gerne verstecken, mal mit einem schwarzen Sack auf dem Kopf – fast wie bei der Simpsons-Version Thomas Pynchons –, öfter aber unter eben solchen Motorradhelmen. „Electroma“, so heißt der Film mit den Roboterfiguren, ist der erste Film, bei dem Daft Punk – nach der Kooperation mit Shinji Shimizu für den Animationsfilm „Interstella 5555“ – als alleinverantwortliche Regisseure zeichnen. Und er ist sehr sonderbar, ein Zwischending aus Spielfilm und Musikvideo, weder fürs Kino noch fürs Museum so recht gemacht und fürs Musikfernsehen in seinem gegenwärtigen Zustand gewiss schon gar nicht geeignet. Definitiv eher Arte als MTV. Es gibt viel Musik darin, die ist aber nicht von Daft Punk, sondern in ganz eklektizistischem Durcheinander von Todd Rundgren, Brian Eno, Haydn, Sebastian Tellier und vielen anderen. Gesprochen wird kein einziges Wort.

Es gibt aber eine Geschichte und die geht so: Die beiden Hedi-Slimane-Roboter wollen Menschen sein, begeben sich dafür aus der Wüste, die man aus Gus Van Sants „Gerry“ kennt, in einen weitgehend weißen Raum, der einem wiederum aus George Lucas’ frühem Sci-Fi-Film „THX 1138“ bekannt vorkommt. Dort schmieren ihnen weiß gewandete Wesen Latex übers Roboterantlitz und formen die Karikatur eines Gesichts daraus. Die beiden Roboter treten, human after all, ins Freie, die Musik wird sakral, ist aber immer noch nicht von Daft Punk.

Die kalifornische Mitwelt wird, das hat man schon zuvor im Vorbeifahren gesehen, von Wesen mit Roboterköpfen bewohnt, die Blumen gießen, Hochzeit feiern und auch sonst tun, was man als kalifornischer Kleinstadt-Roboter halt so tut. Wer will, kann an die Tradition von Entmenschlichungs-Filmen à la „Die Dämonischen“ oder „Die Frauen von Stepford“ denken. Man kann, muss aber nicht.

Auf die Latex-Gesichter reagiert die Roboter-Mitwelt konsterniert, sie rottet sich gar zum Lynchmob zusammen. In der kalifornischen Sonne schmilzt unterdessen das Latex, die Gesichter zerfließen ins Unförmig-Groteske. Mit knapper Not ziehen sich die Menschenkopf-Roboter auf eine Toilette zurück, kratzen sich die Menschengesichter von den Roboterköpfen und gehen dann, wie man es wieder aus Gus Van Sants „Gerry“ kennt, in die Wüste. Einer der beiden geht in der letzten Einstellung vor schwarzem Hintergrund als lodernde Fackel von links vorne nach rechts hinten aus dem Bild.

Überhaupt ist gegen die Bilder, die oft in einem eher konventionellen Sinne schön sind, ist auch gegen die Langsamkeit, die man meditativ nennen könnte, nicht viel zu sagen. Man kann sich „Electroma“ gut ansehen, womöglich sogar sich vom Zusammenspiel von Langsamkeit, Kamerabewegung, Wortlosigkeit und drunter gelegter atmosphärischer Stimmungsmusik gefangen nehmen lassen. Die Frage, was das Ganze sein soll und will, ist damit aber nicht beantwortet. Zum einen ist es ein etwas seltsames Daft-Punk-Fanvehikel ohne Daft-Punk-Musik. Zum anderen eine multiple Hommage im Gewand einer nicht übermäßig komplexen Humanoiden-Parabel. Und zuletzt doch nicht viel mehr als ein Abklatsch, die Second-Hand-Reproduktion schicker Bilder, die es anderswo schon überzeugender gab.

EKKEHARD KNÖRER

„Electroma“ ist am Mitwoch, den 4. Juli im Arsenal zu sehen, Beginn 21.00 Uhr