Farbeier im Corporate Design

BLOCKUPY Rund 2.000 Menschen demonstrieren gegen die Krisenpolitik der EU. Frankfurt ist mittlerweile eine feste Adresse für Aktivisten aus ganz Europa. Die Polizei zeigt sich anders als 2013 betont zurückhaltend

„Hey Leute: Ihr macht euch da gerade strafbar“

FREUNDLICHE POLIZEIDURCHSAGE

AUS FRANKFURT MARTIN KAUL

Es ist ein letzter Satz, aber eigentlich erst der erste. „Die Demonstration ist hiermit beendet“ hallt die Stimme vom Lautsprecherwagen – und das heißt übersetzt: Das Spielfeld ist hiermit eröffnet. Keine zwei Sekunden vergehen, da klettern die ersten vermummten Aktivisten über die robuste Zufahrtspforte, andere folgen. Minuten später sind es ein paar Dutzend. Sie werfen Farbeier. Und so sind die Fensterfassaden der Europäischen Zentralbank in Frankfurt rasch mit großen Farbflecken markiert. Grün, rot, blau. Es sind die Blockupy-Farben. Das ist: Corporate Design für Autonome.

Über 2.000 Menschen haben am Samstagnachmittag gegen die Krisenpolitik europäischer Regierungen protestiert – und was am Wochenende in Frankfurt am Main geschah, ist in mehrfacher Hinsicht beachtlich. Denn im Gegensatz zu den Vorjahren hat die Frankfurter Polizei einen radikalen Strategieschwenk gegenüber den Blockupy-Protesten vorgenommen. Der lautet nun offenbar: Umarmen, umarmen, umarmen.

Im vergangenen Jahr war die Behörde weit über Hessen hinaus in die Kritik geraten, als sie bei Blockupy-Protesten im Juni 2013 über Stunden hinweg eine große Protestgruppe eingekesselt hatte und damit die Demonstration in Teilen faktisch verhindert hatte. Weil auch zahlreiche Journalisten an ihrer Arbeit behindert worden waren, hatte der Einsatz auch ein politisches Nachspiel.

Am Wochenende war nun – fast erheiternd – zu beobachten, mit welch großherziger Offenheit die Polizei verschiedene Demonstrationen und Aktionen des Blockupy-Bündnisses begleitete. Zwar kam es auch an der Europäischen Zentralbank zu vereinzelten Pfeffersprayeinsätzen – im Wesentlichen ließ die Polizei aber selbst den Farbeierwerfern freien Zu- und Abgang über die Absperrzäune rund um die Europäische Zentralbank. Selbst die Durchsagen waren leicht zu verwechseln mit jenen vom Demo-Wagen. So war aus dem Polizeilautsprecher zu hören: „Hey Leute, wir wollten euch nur noch mal sagen: Ihr macht euch da gerade strafbar.“

Als der Einsatz beendet war, twitterte die Behörde dann: „Der überwiegende Teil der Teilnehmer hat ihren Protest kreativ im gesetzlichen Rahmen vorgetragen.“ Es fehlte eigentlich nur: dass sich die Beamten noch mal ganz herzlich bedanken.

Bereits am Freitag hatten die Beamten auf Twitter den Aktivisten und der interessierten Öffentlichkeit einen guten Service geboten – und mit zahlreichen Infos und Fotos dokumentiert, mit welchen Mitteln Demonstranten in Frankfurt etwa an die vor Europas Außengrenzen ums Leben gekommenen Flüchtlinge erinnert hat. Es war die Polizei, die Fotos von den roten Gedenkkerzen twitterte, die Aktivisten zuvor aufgestellt hatten.

Seit Donnerstag hatte das Blockupy-Bündnis in Frankfurt mit zahlreichen Veranstaltungen und Demonstrationen in der gesamten Frankfurter Innenstadt ein sogenanntes Protest-Festival veranstaltet. Hinter dem Bündnis stehen zahlreiche linke Gruppen, die seit Jahren in Frankfurt an einer transeuropäischen Vernetzung von Kapitalismuskritikern arbeiten. Für Aktivisten und Gruppen aus ganz Europa ist die Bankenmetrople am Main heute eine feste Adresse geworden.

Geht es nach dem Blockupy-Bündnis, soll das im kommenden Jahr seinen Höhepunkt finden: Am Freitag teilte die Europäische Zentralbank mit, dass sie am 18. März die Eröffnung ihres Neubaus feiern will. Dann sollen nach den Wünschen des Blockupy-Bündnisses Tausende Menschen aus ganz Europa zum Protest kommen.

Und die Polizei kann zeigen, ob sie an ihrem Einsatzkonzept aus Betwittern und Umarmen festhält.