Die UNO zieht eine gemischte Bilanz

Viel Stillstand, wenige Fort- und einige Rückschritte: Generalsekretär Ban Ki-moon legt Halbzeitbericht über die acht Millenniumsziele zur Halbierung der weltweiten Armut bis 2015 vor. Er appelliert an die G-8-Staaten, ihre Zusagen einzuhalten

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Ob ein zur Hälfte gefülltes Glas als halb leer oder halb voll bezeichnet wird, ist eine Frage der negativen oder positiven Interpretation. Bei den vor genau sieben Jahren von einem UNO-Gipfel in New York beschlossenen acht Millenniumsziele zur Halbierung der weltweiten Armut bis zum Jahr 2015 ist das Glas nach knapp der Hälfte der Zeit allerdings erst maximal zu einem Viertel gefüllt. Das geht aus der Halbzeitbilanz hervor, die UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon am Montag in Genf vorstellte.

Das erste und wichtigste der acht Millenniumsziele ist die Halbierung des Anteils der Weltbevölkerung, der in extremer Armut lebt oder Hunger leidet. Basisjahr für die Bemessung von Erfolg oder Misserfolg ist 1990. Seitdem ist die Zahl der über 18-jährigen Menschen, die mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen müssen (UNO-Definition für „extreme Armut“) von 1,25 Milliarden auf 980 Millionen gesunken. Dies konnte der Generalsekretär als einen der wenigen Erfolge verkünden. Das entspricht einem Rückgang von 32 Prozent auf 19 Prozent der Weltbevölkerung, die in den vergangenen 16 Jahren um über eine Milliarde Menschen gewachsen ist.

Nicht berücksichtigt ist bei dieser Erfolgsmeldung allerdings, dass der US-Dollar seit 1990 erheblich an Kaufkraft eingebüßt hat. Auch der Anteil der Hungernden ist – zumindest proportional zur seit 1990 um über 22 Prozent gewachsenen Weltbevölkerung – laut der Halbzeitbilanz des Generalsekretärs leicht zurückgegangen.

Die absolute Zahl der Hungernden ist allerdings allein seit dem Milleniumsgipfel vor sieben Jahren von 800 Millionen Menschen auf 854 Millionen angestiegen. Dies merkte der der Sonderbeauftragte des UNO-Menschenrechtsrats für das Recht auf Ernährung, Jean Ziegler, am Montag in Genf auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Nichtregierungsorganistationen Hunger Free und SwissAid kritisch an.

Den geringsten Fortschritt verzeichnet die Halbzeitbilanz auf dem Kontinent, wo er am notwendigsten wäre: in Afrika. So konnten zwar Uganda, Tansania, Kenia und Ghana ihre Einschulungsraten für Sechsjährige deutlich erhöhen und damit dem Millenniumsziel einer gesicherten Schulbildung für alle Kinder bis zum Jahr 2015 ein Stück näher kommen. Und Niger, Togo, Sambia und Sansibar verzeichneten Erfolge bei der Bekämpfung von Malaria. Doch mit Blick auf ganz Afrika kam bereits die für den Kontinent zuständige Untergeneralsekretärin der UNO, Asha-Rose Migiro, in einer im vergangenen Juni vorgelegten Untersuchung zu dem Ergebnis, dass „sogar die am besten regierten Länder des Kontinents nicht in der Lage gewesen sind, hinreichende Fortschritte bei der Reduzierung der extremen Armut in ihren vielen Formen zu erzielen“.

Trotz der wenig ermutigenden Halbzeitbilanz ist Generalsekretär Ban Ki-moon „weiterhin fest davon überzeugt, dass die Millenniumsziele fristgerecht umgesetzt werden können – bei entsprechendem Willen aller Beteiligten“. An die in der G 8 versammelten reichen Industriestaaten des Nordens appellierte Ban Ki-moon – wenn auch zurückhaltender in den Formulierungen und weniger präzise im Detail als sein Vorgänger Kofi Annan – ihre Selbstverpflichtungen umzusetzen, die öffentliche Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts zu erhöhen und die Hilfe für Afrika bis 2010 zu verdoppeln. Die Länder des Südens mahnte der UNO-Generalsekretär,die Umsetzung der Millenniumsziele zur „obersten Priorität ihrer nationalen Politik“ zu machen. ANDREAS ZUMACH

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