Zwischen One-Lady-Show und Manipulation

MACHTKALKÜLE Regierung und Opposition gehen unversöhnlich in die weichenstellende Wahl 2015. Die Zeichen stehen auf Polarisierung und Repression

2015: Parlamentswahlen für Ende Oktober/Anfang November angekündigt.

2014: Ursprünglich für das letzte Quartal vorgesehene Nachwahlen (35 Sitze) mit Zustimmung der oppositionellen NLD abgesagt.

2012: Bei recht fairen Nachwahlen im April gewinnt Aung San Suu Kyis NLD 43 der 44 Sitze, einen Sitz die ethnische Shan-Partei SNDP.

2010: Die ersten Wahlen unter der neuen Verfassung gewinnt die militärnahe USDP deutlich. Die NLD der noch unter Hausarrest stehenden Aung San Suu Kyi boykottiert die nicht demokratische Abstimmung. Das Militär erhält direkt 25 Prozent der Parlamentssitze.

2008: In einem manipulierten Referendum stimmen für die vom Militär ausgearbeitete Verfassung, die ihm weiter eine Schlüsselrolle gibt, offiziell 92,4 Prozent. Trotz der vorangegangenen starken Zerstörungen mit mindestens 138.000 Toten durch den Zyklon „Nargis“ besteht die Junta in den meisten Gebieten auf einem planmäßigen Votum.

1990: Die NLD gewinnt bei den von Massenprotesten durchgesetzten Wahlen 392 der 492 Sitze. Doch die Junta stellt Aung San Suu Kyi unter Hausarrest und erkennt den NLD-Sieg nicht an.

1960, 1956, 1951/1952: Jeweils Mehrparteienwahlen bis zum Militärputsch 1962. Nyein Nyein Pyae

VON THET ZIN
UND SOUNG OO KO KO

Die Wahl in knapp einem Jahr bringt Birma entweder voran auf dem Weg zur Demokratie oder treibt es zurück in Instabilität und Krise. Bislang stehen die Zeichen nicht gut: Sowohl Regierung wie Opposition setzen nicht auf Versöhnung, sondern auf Polarisierung und Repression. Insgesamt glauben die Leute, dass die Nationale Liga für Demokratie (NLD) mit Aung San Suu Kyi an der Spitze mit einem Erdrutschsieg gewinnen wird.

Strategie der NLD

Die NLD, die schon 1990 per Erdrutschsieg die Wahlen gewann, der aber vom Militärregime nie anerkannt wurde, ist stärkste Oppositionspartei. Im November 2010 wurde Aung San Suu Kyi aus dem Hausarrest entlassen, in dem sie 15 der vergangenen 21 Jahre saß. Nach einem Treffen mit dem Präsidenten der pseudozivilen Regierung, Thein Sein, kandidierte sie bei den Nachwahlen im April 2012. Dabei gewann die NLD 43 von 44 Sitzen.

Seit Aung San Suu Kyi im Parlament sitzt, kämpft sie für eine Änderung der Verfassung. Die sichert dem Militär die Oberhoheit und verbietet es Aung San Suu Kyi, Präsidentin zu werden. Die Lady rief die Schlüsselfiguren – Präsident Thein Sein, Parlamentspräsident Thura Shwe Mann, Armeechef Min Aung Hlaing – zum Dialog mit ihr über eine Verfassungsreform auf. Die zeigten ihr die kalte Schulter.

Darauf mobilisierte Aung San Suu Kyi eine Unterschriftenkampagne. Fast fünf Millionen Menschen sprachen sich dabei für eine Verfassungsreform aus, aber auch das stieß auf taube Ohren. Zugleich verhinderte Aung San Suu Kyis aggressive Tonart, zwischen beiden Seiten Vertrauen aufzubauen.

Mit ihrer bisherigen Strategie wird die NLD ihr Ziel nicht erreichen. Sie hat sich in eine One-Lady-Show verwandelt. Intern mangelt es an demokratischer Praxis. Kein NLD-Mitglied hat den Mut, den Führungsstil der Lady zu kritisieren. Die Partei könnte die Blockade überwinden, würde sie das Verhältniswahlrecht akzeptieren, das die regierende USDP vorschlägt. Dafür könnte die NLD eine Verfassungsänderung herausschlagen. Aber die NLD fürchtet, mit einer Verhältniswahl ihre Siegchancen zu senken.

Strategie der USDP

Nachdem die frühere Junta mit Manipulation der Solidaritäts- und Entwicklungspartei der Union (USDP) zum Wahlsieg 2010 verholfen hatte, liberalisierte der Exgeneral und jetzige Präsident, Thein Sein, Birma politisch und wirtschaftlich. Durch die Entlassung politischer Häftlinge, die Abschaffung der Pressezensur, die Aufgabe eines umstrittenen Staudammprojekts und andere Initiativen gewann die Regierung im In- und Ausland Unterstützung. Nach dem für sie desaströsen Ergebnis der Nachwahlen 2012 konzentriert sich die Regierungspartei nur noch darauf, wie sie 2015 gewinnen kann.

Die USDP hat kein klares politisches Programm und sich noch nicht auf einen Kandidaten geeinigt. Präsident Thein Sein hält sich bedeckt, während Parlamentspräsident Thura Shwe Mann, USDP-Chef und früher Nummer drei der Junta, seine Ambitionen schon verkündet hat. Die USDP ist zutiefst unbeliebt, hat aber viel Geld. Ihr Spielplan hat fünf Elemente:

1. Die Regierung lehnt Reformvorstöße von Kritikern ab, um zu zeigen, dass nur die USDP das Heft des Handelns in der Hand hält. So wirft die Regierung wieder Journalisten ins Gefängnis und schränkt die Versammlungsfreiheit wieder ein.

2. Die Regierung mischt bei lokalen Unruhen mit, duldet etwa Hassreden und Gewalt. Sie verabschiedet ultranationalistische diskriminierende Gesetze, indem sie etwa einen Wechsel vom Buddhismus zum Islam oder die Heirat zwischen Buddhisten und Muslimen untersagt.

3. Die Regierungspartei will das Wahlsystem vom Mehrheitssystem auf ein Verhältniswahlrecht umstellen und so der NLD die Chance nehmen, erneut überlegen zu gewinnen.

4. Die USDP und ihre Schläger können im Wahlkampf politische Gewalt provozieren.

5. Die Regierung begünstigt in Waffenstillstandsverhandlungen bewaffnete ethnische Gruppen und ethnische politische Parteien, in dem sie ihnen in der Verfassung mehr Rechte zubilligt. Damit will sie die traditionelle Nähe zwischen der NLD und der informellen Allianz der ethnischen Minderheiten untergraben.

Strategien der anderen

Die übrigen Parteien dürften bei den Wahlen keine entscheidende Rolle spielen, ausgenommen die von ethnischen Minderheiten in ihren jeweiligen Regionen. Die ethnischen Parteien könnten aber die Machtverhältnisse im Oberhaus beeinflussen, wenn sie sich entweder auf die Seite der NLD oder der USDP schlagen.

Aussichten

Sollte die NLD wie 1990 haushoch gewinnen, wäre der Übergangsprozess in Gefahr, eine Destabilisierung Birmas möglich. Sollte die NLD wegen Manipulationen der USDP unterliegen, könnte dies Massenproteste auslösen. Deshalb sollten sich beide vorher auf langfristige Reformen einigen.