Das Putzen ist das Paradies

OBSESSIV Der in einem stillgelegten Hotel in Bremerhaven gedrehte Film „Das Zimmermädchen Lynn“ von Ingo Haeb läuft beim Fetisch-Film-Festival in Kiel

„Das Schöne am Putzen ist, dass es immer wieder dreckig wird“ sagt die um die 30 Jahre alte Lynn Zapatek, zu deren zahlreichen Obsessionen die Putzsucht gehört. Als Zimmermädchen hat sie den idealen Beruf gefunden und nicht umsonst heißt das Hotel, in dem sie arbeitet „Eden“.

Ihr Problem ist, dass sie als Zwangscharakter alles in Extremen ausleben muss und es zu ihren Leidenschaften gehört, beim Reinigen der Zimmer Kleidungsstücke der Hotelgäste anzuziehen und sich unter deren Betten zu verstecken, um sie zu belauschen. Gerade aus einer psychiatrischen Klinik entlassen, geht sie zu wöchentlichen Therapiestunden, aber dabei scheint sie nur gelernt zu haben, wie sie ihre Besessenheiten geschickter sprießen lassen kann. Und so wird ihr Leben erst wirklich interessant, als sie die Domina Chiara kennenlernt.

Faszinierend an „Das Zimmermädchen Lynn“ ist, dass der Regisseur Ingo Haeb dieses kleine Drama konsequent aus der Perspektive der Titelheldin erzählt. Und Vicky Kriebs spielt sie so lebensnah, verletzlich und, ja, unschuldig, dass dies keine Krankengeschichte ist, sondern eine Charakterstudie, bei der die Sympathien der Zuschauer der Protagonistin zufliegen.

Diese ist einerseits so identitätslos, dass sie ihren Personalausweis an den Spiegel im Badezimmer klemmt. Andererseits ist sie furchtlos und dramatisiert ständig ihr äußerlich so banales Leben, denn sie ist süchtig nach Adrenalin.

Als ein Running Gag werden aus dem Blickwinkel der unter den Betten liegenden Lynn oft nur die Füße von Hotelgästen gezeigt. Daran werden einige BesucherInnen des 7. Fetisch Film Festivals in Kiel ihre Freude haben, aber Ingo Haeb inszeniert ansonsten nie spekulativ, voyeuristisch oder gar pornografisch.

In seinem Film herrscht kein männlich dominanter Blick und das ist der Kamerafrau Sophie Maintigneux zu verdanken, die mit Eric Rohmer und Jean-Luc Godard arbeitete. Ihre Bilder haben immer eine sehr stilisierte Sachlichkeit. Sogar, oder gerade dann, wenn Lynn in einer Traumsequenz in ihrem Bett durch Straßen zu einem tropischen Urlaubsstrand fährt.

Diese Szenen wurden, rührend mit einer einzigen Palme verfremdet, am Weserstrand von Bremerhaven fotografiert. Und auch sonst hat Haeb den größten Teil des Films in der hanseatischen Provinz gedreht, denn für die Low-Budget-Produktion wurde überall im Land als billiger Drehort ein leerstehendes Hotel gesucht. In Bremerhaven fand man schließlich das „Nordseehotel“, in dem das Filmteam gleich alle anderen Innenaufnahmen drehen und wohnen konnte.  HIP

7. Fetisch-Film-Festival: bis Samstag im Kulturzentrum TraumGmbH in Kiel; „Das Zimmermädchen Lynn“ läuft am Freitag um 20 Uhr