hamburger szene
: Seltsame Schneise

Und plötzlich regnet es wieder. Auf dem Bürgersteig ist Gedrängel, ich versuche mich unterzustellen. Das Schaufenster unter der Markise spiegelt nasse Strähnen, die mir im Gesicht kleben. Auf der Scheibe steht „Exact“, im Hintergrund werden Haare gewaschen. Ein Mann, den Kopf im Waschbecken, sieht sehr entspannt aus. „Lust auf einen neuen Haarschnitt und eine Tasse Tee umsonst?“, werde ich von drinnen gefragt. Kann nicht schaden, denke ich, und der Geruch von Wellness – Eukalyptus, Rose, Haarspray – macht, dass ich mich geradezu beglückt fühle.

Eine Frau Meier schneidet mir jetzt eine ziemlich seltsame Schneise in die Haare. „Ich hol mal eben den Chef“, höre ich daraufhin von hinten. Ich warte. Der Betrieb auf der Straße lässt langsam nach. „Senkrecht oder waagerecht?“, fragt der Chef die Kollegin, die große Augen macht. „Na ja.“ Nur keine Fragen stellen, beschließe ich und bereite meine Flucht vor: „Ich muss mal zusehen“, sage ich, „noch was zu essen zu kriegen.“ Da verschwindet die Frisörin mit den Worten: „Ich finde schon was.“

Draußen wird es inzwischen dunkel. Die tibetischen Klänge im Hintergrund sind verstummt. Jetzt kommt die Frau zurück: mit der Schere, Keksen und Zigaretten. Vor der Tür darf geraucht werden, sie erzählt von ihrer Ausbildung. Ich bekomme Mitleid. Auf dem Weg zurück zum Stuhl schaue ich aufs Handy: 23. 30 Uhr. Jetzt muss sie mal eben telefonieren. Die Tür geht auf, der Chef kommt rein, noch in Jacke, und schneidet mir in zehn Minuten endlich die Scheiß-Kurzhaarfrisur. KATRIN BONNY