Mama Jobcenter

Wenig erhellend, aber manchmal rührend: „Xanadu City“ im Ballhaus Ost handelt vom langen Warten auf Arbeit

Im 13. Jahrhundert soll Xanadu die Sommerresidenz des Mongolenführers Kublai Khan gewesen sein, weswegen sie zum Sinnbild für Prunk und Wohlstand wurde. Regisseur Bernhard M. Eusterschule schickt jetzt fünf halbwegs junge Menschen in einen fast leeren Raum, der sich Xanadu City nennt und in China liegt. Es war wohl schwierig, hierher eingeladen zu werden, und die fünf jungen Leute erwarten sich durch ihren Aufenthalt einen ordentlichen Anschub für ihre Karriere.

Das ist der Rahmen, in dem der Begriff Arbeit dargestellt, gespielt und geschrien wird. Dieses wirklich interessante und derzeit auf Bühnen sehr beliebte Thema wird allerdings relativ oberflächlich abgehandelt, sowohl inhaltlich als auch szenisch. Arbeit und Spiel bilden Gegensätze. Deswegen gibt es auf der Bühne einen Haufen Kartoffeln zum Schälen als Bild für Ersteres und außerdem einen Spielautomaten. Sexuelle Ausbeutung und die Ausbeutung durch sklavische Lohnarbeit könnten durchaus wesensverwandt sein, weswegen Robert Krüger Johanna Niedermüller vergewaltigt, während er einen marxistischen Lehrvortrag über die Unmenschlichkeit des Kapitalismus hält.

Wir alle müssen flexibel und dynamisch sein, wir müssen bereit zur Selbstversklavung im Dienste der Firma sein, und die etymologische Wurzel des Begriffs Arbeit ist in vielen Sprachen irgendwo zwischen Folter, Mühsal und Armut zu finden. Das alles ist bereits zur Genüge bekannt. Berührend wird das Stück daher erst in den wenigen Momenten, in denen die an sich nicht neuen Thesen gespielt statt formuliert werden. Wenn die Darsteller sich im Zuge der Selbstvermarktung immer krasser präsentieren, wenn sie sich entkleiden und Balztänze aufführen, während sie im Stakkato ihre Lebensläufe ins Mikrofon brüllen. Wenn Johanna Niedermüller schließlich vollkommen nackt auf der Bühne kniet und wimmert: „Ich bin die geborene Führungskraft.“ Um anschließend minutenlang zitternd zu schluchzen, völlig geschockt durch ihre ständige Selbsterniedrigung. Manchmal ist das Stück auch lustig. Wenn Robert Krüger das Jobcenter mit seiner Mutter vergleicht wegen der immer gleichen Fragen: „Wo gehst du hin? Wann kommst du zurück? Wozu brauchst du das jetzt wieder?“

Schließlich gibt es neben den hysterischen Bewerbern faszinierende Figuren wie beispielsweise Folkert Dücker, der das gesamte Stück über in Chefpose auf der Bühne sitzt, ab und zu eine Dose Ice-Tea in einem Zug leert und sonst nichts tut. Aber das sind leider nur vereinzelte Inseln in einer sonst wenig erkenntnisreichen Inszenierung, der es selten gelingt, ihrem Thema interessante Aspekte abzugewinnen. Vielleicht wäre die Konzentration auf subjektive Erlebnisse ergiebiger gewesen als das Herunterrattern von Stellenanzeigen. CORNELIA GELLRICH

Weitere Aufführungstermine: 7. + 8. Juli, 20 Uhr, Ballhaus Ost, Pappelallee 15