Nazis bedrohen Jugendzentrum

Seit Monaten ist das Falkenhaus in Neukölln im Visier von Rechten. Mitarbeiter werden attackiert, das Gebäude mit Hakenkreuzen beschmiert. Jetzt beteiligt sich auch die NPD an der Hetzkampagne

Seit dem Einzug der NPD ins Bezirksparlament ist die Zahl rechtsradikaler Aktivitäten in Neukölln deutlich gestiegen

VON JOHANNES RADKE

„Anton Schmaus – Nazis Raus“ ist in großen Buchstaben an den bunten Holzzaun gemalt. Schon im Garten hört man laute Kinderstimmen aus dem Gebäude. Im Innern des Falkenhauses im südlichen Neukölln herrscht ein sympathisches Chaos. 30 Kinder rennen schreiend und lachend durch das Jugendzentrum.

Mittendrin sitzt Andreas Kramer und versucht den Zweitklässlern beizubringen, wie man Nägel in einen Holzbalken einschlägt. „Eigentlich wollten wir im Garten etwas bauen, aber bei dem Regen müssen wir drinnen bleiben“, erzählt Kramer, den hier alle nur Andi nennen. Vor knapp fünf Jahren wurde das Freizeitheim eröffnet, seitdem arbeitet er hier. Benannt wurde das Haus nach dem 1933 von Nazis ermordeten Arbeiter Anton Schmaus. Es ist das einzige vom Bezirk unterstützte alternative Jugendzentrum in Neukölln – direkt am U-Bahnhof Britz.

Die Falken, in den 20er-Jahren aus der sozialistischen Arbeiterjugendbewegung hervorgegangen, sind heute eine gewerkschaftsnahe Jugendorganisation, die Zeltlager organisiert und Jugendhäuser betreut. Drei festangestellte und rund zehn ehrenamtliche Mitarbeiter sorgen dafür, dass die Jugendlichen in Britz eine Anlaufstelle haben. Nicht allen gefällt das: Seit einigen Wochen ist die Einrichtung ins Visier der NPD geraten.

Die rechtsextreme Partei – in der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln mit zwei Abgeordneten vertreten – vermutet in der Jugendeinrichtung eine „Brutstätte der Gewalt“. Sie fordert die sofortige Schließung des Hauses und die Umfunktionierung in „ein nationales Jugendzentrum“. Dort solle gelehrt werden, „wie man sich in der Öffentlichkeit zu benehmen hat“. Als Vorwand für den kruden Vorschlag dient den Rechten ein Vorfall vor wenigen Wochen, als es nach einer „Beachparty gegen rechts“ in der Nähe des Klubs zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Jugendlichen kam (die taz berichtete).

Was die „Nationaldemokraten“ jedoch verschweigen, ist, dass die Jugendeinrichtung seit langem immer wieder von Neonazis attackiert und bedroht wird. Mehrfach sprühten sie rechte Sprüche und Hakenkreuze an das Gebäude. „Linke Jugendzentren zerschlagen“ stand eines Tages am Zaun. Im Umkreis sind fast alle Stromkästen mit Parolen und Symbolen der Neonazis bemalt.

Im November vergangenen Jahres wurde es besonders brenzlig. Rund 40 Rechtsextremisten sammelten sich abends im nahe gelegenen Park, um auf das Gelände des Zentrums vorzudringen. Die Betreuer schlossen sich mit den verbliebenen Kindern und Jugendlichen im Haus ein und riefen die Polizei. Die konnte Schlimmeres verhindern.

„Seit dem Einzug der NPD in die Bezirksverordnetenversammlung im Herbst beobachten wir einen deutlichen Anstieg rechtsextremer Aktivitäten in Neukölln“, bestätigt Toni Peters vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum. „Das sind vor allem subkulturelle Neonazigruppen, die zwar wenig organisiert agieren, aber stets hochgradig gewalttätig in Erscheinung treten.“ Auffallend sei dabei die Nähe zur NPD, die als parlamentarischer Flügel der Neonazi-Szene funktioniere.

Gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Initiativen und Parteien engagieren sich die Falken seit dem Wahlerfolg der NPD im neu gegründeten „Antifaschistischen Bündnis Neukölln“. Mit einer Demonstration und mehreren Kulturveranstaltungen wollen sie zeigen, dass sich nicht alle mit den Rechten im Bezirk abfinden wollen. Die fühlen sich von so viel Engagement gegen Rechtsextremismus provoziert.

„Die Kampagne der NPD gegen uns ist eine Unverschämtheit“, sagt Andi. „Irgendwann kam ein rechter Jugendlicher, der uns sagte, dass er aus der Szene aussteigen will und unsere Hilfe braucht“, erzählt er. Wochenlang ging der Junge im Haus ein und aus. Als die Mitarbeiter merkten, dass der 16-Jährige keineswegs ein Aussteiger war, sondern von seiner Neonazi-Clique geschickt wurde, um das Haus auszuspähen, war es schon zu spät. Bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei bei ihm Listen mit Namen und Adressen der Betreuer.

„Wir arbeiten hier mit einem latenten Gefühl der Bedrohung“, stellt Andi fest. In den letzten Wochen wurde er mehrmals auf offener Straße von Rechten bedroht. Doch für ihn und die anderen Falken steht fest, dass sie sich nicht von den Neonazis einschüchtern lassen werden. „Wir wollen den Kindern zeigen, wie sie ihre Freizeit sinnvoll nutzen können, und ihnen demokratische Werte vermitteln“, erklärt der 36-Jährige. Dazu gehöre auch, sich gegen Rassismus, Antisemitismus und Gewalt einzusetzen und ein Problembewusstsein für diese Themen bei den Jugendlichen zu schaffen.