die taz vor zehn jahren über die cia-akten zum geplanten castro-mord: staatsterror einst und heute
:

Die Nachricht „CIA wollte Castro töten“, die kürzlich die Agenturen meldeten, scheint in die abgetane pathologische Geschichte des Kalten Krieges zu gehören. Doch es lohnt, sich zu erinnern. Hier plant eine Regierung einen Mord. Dazu setzt sie auf höchster Ebene eine Arbeitsgruppe zwecks „Eliminierung“ (so der amtliche Jargon) außenpolitischer Gegner ein, deren prominentester Fidel Castro hieß. Zuvor waren der ökonomische Boykott (Eisenhower) und die militärische Intervention (Schweinebucht) fehlgeschlagen. Zur Durchführung der Mordpläne nahm man mit der einheimischen Unterwelt, den Bandenchefs des Chicagoer Verbrecherkartells, Verbindung auf. Der Kopf der Mordplaner ist der Justizminister, seinerseits ein Bruder des Präsidenten. Letzterer unterhält gleichzeitig eine amouröse Affäre mit der Mätresse eines der angeheuerten Mafiabosse. Brechts „Dreigroschenoper“ ist ein naives Kindermärchen dagegen.

Nicht, daß Castro die nationale Sicherheit der USA bedrohte – nein: John F. Kennedys Wiederwahl 1964 stand auf dem Spiel. Der Präsident plante den Regierungsmord, um seine Wahlchancen zu verbessern. Nach bürgerlichen Rechts- und Moralbegriffen hätte er dafür vor ein Gericht gestellt werden müssen.

Doppelte Moral: Als vor kurzem das Mykonos-Urteil aussprach, daß die iranische Regierung der unmittelbare Auftraggeber politischer Morde war, da rief alle (westliche) Öffentlichkeit lautstark nach drastischen Konsequenzen. Und das auch zu Recht. Am lautesten aber riefen die US-Außenpolitiker.

Jede Regierung, die Mord als Mittel der Politik einsetzt, hat ihr moralisches Recht darauf, regieren zu dürfen, verwirkt; John F. Kennedy ist der Namenspatron von Institutionen, von Straßen und Gebäuden in der westlichen Welt. Spätestens die neueste Aktenpublikation zwingt zu einer nüchternen Revision seines Bildes.

Ekkehart Krippendorff in der taz vom 7. 7. 1997