berliner szenen Blind Dating (3)

Begegnung mit Valerie V.

Mit Valerie, Anfang 30, giftgrüne Augen, Lippenstift auf den Zähnen, rot gezopfte Haare, traf ich mich in einem abgeranzten Café in Kreuzberg. Wir sprachen über Ally McBeal. Neulich wurde eine Folge wiederholt, erzählte sie, in der es um den Gegensatz zwischen Romantik und Liebe gegangen war. McBeals Chef hatte darin einen Prozess mit der Begründung gewonnen, Liebe sei eine Währung, die man einsetze, um etwas zu erreichen – was nicht ehrbar sei, aber eben auch kein Grund zur Bestrafung. McBeal selbst konnte sich dem Plädoyer des Chefs nicht anschließen, weil sie eine reine Romantikerin sei.

Das Komische ist, sagte Valerie weiter, dass wir heutzutage viel weiter sind, aber die Konsequenzen scheuen. Das erkläre mal, sagte ich. Die Idee der romantischen Liebe ist als Kindergarten enttarnt, postulierte sie, wir befinden uns aber immer noch in diesem Stadium, zumindest wenn wir nach den Spuren dieser Idee, dem Gefühlsrausch an sich suchen. Dabei wissen alle, dass es den Märchenprinzen oder die Prinzessin nicht gibt, und wenn doch, dann ist er in festen Händen oder interessiert sich schlichtweg nicht für uns. Ich stimmte zu. Auf der anderen Seite steht der pragmatische Ansatz, führte Valerie weiter aus, wie er in dem Liedchen „If you can’t be with the one you love, love the one you’re with“ besungen wird. Die meisten Beziehungen funktionieren auf dieser Grundlage.

Aha, machte ich, und die Konsequenzen? Konsequent wäre, sagte Valerie, auf alles zu verzichten, auf die verblasene Idee der Romantik genauso wie auf die Beziehungspragmatik, die auf Dauer auch nur krank machen würde. Und stattdessen das Comeback der freien Liebe auszurufen. Klingt gut, sagte ich. RENÉ HAMANN