Hinter dem Eisernen Vorhang
VINTAGE Der Laden Politura hat sich dem polnischen Retro-Design verschrieben. Damit sollen auch Gestalter geehrt werden, die in Vergessenheit geraten sind
Stilvolle Midcentury-Möbel aus Polen? Michael Szarko will den Beweis antreten, dass „es auch hinter dem Eisernen Vorhang herausragende Gestalter gab“. In seinem Neuköllner Laden Politura verkauft der 29-Jährige mit seinem Kompagnon Przybyrad Paszyn seit einem Jahr etwa Sessel mit geschwungenen Armlehnen aus dunkel gebeiztem Holz und tannengrünen Polstern oder Sideboards mit abgerundeten Ecken und einer lackierten Oberfläche.
Die beiden Polen haben neben der Restaurierung und dem Verkauf der Vintage-Stücke noch ein weiteres Anliegen: Sie wollen ihre Designer aus der Namenlosigkeit holen. Denn im sozialistischen Polen wurden – ebenso wenig wie in der DDR – individuelle Einzelleistungen nicht gerühmt. Die Möbel entstanden im anonymen Kollektiv der volkseigenen Betriebe, über die kreativen Köpfe, die Tische und Stühle entwarfen, ist bis heute wenig bekannt. Dabei waren es nicht selten anerkannte Professoren, sagt Szarko. Den Prototyp des eleganten Sessel etwa hat Edmund Homa entworfen, ein Architekt, der an der Danziger Kunstakademie lehrte.
Anders als in Deutschland sei in seinem Heimatland die Nachfrage nach Möbeln aus den 50er Jahren gering. „Die landen dort oft einfach auf der Straße“, sagt Szarko. Sein Partner Paszyn ist vor Ort in Polen, sucht in Trödelläden und Wohnungsauflösungen nach ausrangiertem Mobiliar, das dann versierte Spezialisten, etwa in Posen oder Warschau, aufarbeiten. Es dauert Tage, bis ein Sessel abgeschliffen, lackiert und neu gepolstert ist, insbesondere die muschelförmigen Formen der Sessel erfordern oft Handarbeit. Dabei geht es den Politura-Gründern gar nicht darum, die alten Sachen originalgetreu wiederherzustellen. Dunkle Schellack-Stuhlbeine können auf Kundenwunsch hell abgeschliffen, die Polsterfarbe neu bestimmt werden.
ULRIKE SCHATTENMANN
■ Politura, , Schillerpromenade 14, Neukölln, politura-berlin.de
