Ein Saurier kommt selten allein

Am Freitag wird der berühmte Sauriersaal im Naturkundemuseum in Mitte wiedereröffnet. Die Skelette der Riesenechsen wurden nach neuesten Erkenntnissen aufgebaut. Das Museum setzt zudem auf Multimedia – und wagt den Spagat zwischen Jurassic Park und seriöser Wissenschaft

VON THOMAS JOERDENS

Die Zeitreise beginnt mit einem Schmatzen. Dann bekommen die Skelette Muskeln, Organe, Haut; sie stehen nun auf einer grünen Lichtung und geraten plötzlich in Bewegung. Der Fleisch fressende Elaphrosaurus jagt brüllend einen panisch quiekenden Gazellensaurier Dysalotosaurus, der eben noch friedlich Farne zupfte. Doch der flinke, zierliche Zweibeiner entwischt dem ungeschickten Räuber. Nach wenigen Augenblicken erstarren beide wieder und verwandeln sich in Skelette, so wie sie im frisch sanierten Lichthof des Museums für Naturkunde aufgebaut sind. Dort eröffnet am Freitag Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung, vier überarbeitete beziehungsweise neu konzipierte Ausstellungen, darunter die berühmte Saurierhalle.

Mit den „Juraskopen“ – so nennt das Museum seine in dem Saal aufgebauten Fernrohre, mit denen man diese filmischen Zeitreisen anschauen kann – probiert Museumsgeneraldirektor Reinhold Leinfelder den Spagat zwischen Unterhaltung à la Jurassic Park und seriöser Wissenschaft. In animierten Szenen spazieren, äsen, jagen eine Handvoll ausgestellter Saurier durchs ostafrikanische Tendaguru-Tal, heute Tansania, wo die Überreste aus der Jurazeit 1906 entdeckt wurden. Die Filmchen spiegeln den aktuellen Stand der Wissenschaft wider, wenn es etwa um die Bewegungen der Saurier und die üppige Fauna geht. Die Geräusche sowie die grauen oder rötlich-beige gestreiften Hautmuster der Dinos gehören hingegen eher ins Reich der Spekulation.

Neben den Fernrohren erheben sich majestätisch die Überreste der echten 150 Millionen Jahre alten Giganten aus der Urzeit. Darunter das Skelett des Brachiosaurus brancai, mit exakt 13,27 Meter Höhe der weltweit größte ausgestellte Museumsdino. Die braunen, versteinerten Knochen haben die Wissenschaftler nach neuesten Erkenntnissen aufgebaut. Die Skelette scheinen dynamisch durch den Saal zu schreiten, mit durchgedrückten Knien und über dem Boden schwebenden Schwänzen.

Ergänzt wird die Saurierschau durch Pflanzen, Fische, Kleintiere und erstmals einem Original des Urvogels Archaeopteryx. Fünf Zentimeter dickes Panzerglas sichert diese „Mona Lisa der Fossilien“, die weiterhin Wissenschaftlern für die Forschung zur Verfügung steht. Das Gleiche gilt für sämtliche Knochen, die sich aus den mit Eisenstreben verstärkten Sauriermodellen einzeln herauslösen lassen. „Die Objekte und die wissenschaftliche Korrektheit stehen bei uns weiterhin im Vordergrund“, sagte Reinhold Leinfelder gestern. Beim Rundgang sollen Fakten und Spekulationen für den Besucher unterscheidbar sein.

Der Multimedia-Einsatz soll das 1889 eröffnete Museum attraktiver machen und mehr Besucher anlocken. Vor Beginn der zweijährigen Bauarbeiten, die fast 17 Millionen Euro gekostet haben, kamen jährlich 250.000 Menschen, überwiegend Kinder und Jugendliche. Ab dem kommenden Jahr sollen es 450.000 sein, besonders Touristen.

Hinter dem Lichthof erklären Erdmodelle, Filme und interaktive Tafeln das System Erde. Wie diese, unser Sonnensystem beziehungsweise das Universum entstanden sind, erfahren Besucher nebenan. Im bisher nicht zugänglichen Treppenhaus kann man sich auf einem Rundsofa unter einem Bildschirm ausstrecken und die vergangenen 13,7 Milliarden Jahren seit dem Urknall in wenigen Minuten Revue passieren lassen. Dieser „Mehrwert“ hat laut Leinfelder seinen Preis. Erwachsene müssen jetzt 5 Euro Eintritt zahlen, 1,50 Euro mehr als früher.

Mit der Wiedereröffnung sind die Arbeiten im Museum noch nicht beendet. Bis Ende 2008 soll der Ostflügel, noch immer eine Kriegsruine, für 30 Millionen Euro aufgebaut werden.

Museum für Naturkunde, Invalidenstraße 43. Wiedereröffnung am Freitag um 12 Uhr. Sonderöffnungszeiten vom 14. bis 22. Juli: 9.30 bis 20 Uhr (auch am Montag). An diesem Wochenende ist der Eintritt frei www.naturkundemuseum-berlin.de