Legionär mit 13 Jahren

Auf Sidnei Djalo kommen aufregende Wochen zu. Zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren muss er seine Sachen packen und sich von Freunden verabschieden. Im Unterschied zu 2010, als er mit seiner Familie von Portugal nach Hamburg kam, wird er diesmal allein weiterziehen. Das Ungewöhnliche daran: Sidnei Djalo ist 13 Jahre alt und Fußballspieler. Anfang Januar wird Sidnei in das Nachwuchsleistungszentrum des VFL Wolfsburg einziehen. Bislang wohnt er bei seiner Familie in Hamburg-Horn und geht in die Stadtteilschule-Mitte, die auf Kinder und Jugendliche, die ohne deutsche Sprachkenntnisse nach Hamburg kommen, spezialisiert ist.

Früh war Sidnei seien gleichaltrigen Mitspielern hoch überlegen. Zurzeit spielt er in der U15 des FC St. Pauli, die er mit neun Toren in neun Spielen an die Tabellenspitze der höchsten Klasse im Jugendbereich schoss. Auch der HSV, Bayern München und RB Leipzig sollen angefragt haben. Die Entscheidung für den VFL Wolfsburg ist nach Aussage von Djalos Berater Jan Dreyer neben sportlichen Gründen auch deshalb für die „Wölfe“ gefallen, weil Sidnei dort die Möglichkeit habe „Schule und Fußball direkt zu kombinieren“.

Spätestens hier wird die Geschichte unappetitlich. Der Deal wird von den profitierenden Erwachsenen nicht nur pädagogisch verbrämt, sondern dazu noch mit fadenscheinigen Argumenten legitimiert. Wenn es um die Vereinbarkeit von Schule und Fußball ginge, könnte Sidnei getrost in Hamburg bleiben, denn „die Qualität der Ausbildung ist in den meisten Nachwuchsleistungszentren im Norden nahezu identisch“, wie ein Szenekenner auf blog-trifft-ball.de schreibt.

Wolfsburgs Sportchef Klaus Allofs lässt immerhin einen Anflug schlechten Gewissens erahnen, wenn er den Fall Djalo zur „Ausnahme“ erklärt. Was allerdings auch nicht ganz stimmt, denn schon vor drei Jahren hat der VFL den damals ebenfalls 13-jährigen Alexander Laukart vom FC St. Pauli abgeworben. Der war nach einem Jahr zurück in Hamburg, weil er in der neuen Umgebung nicht klar kam.

Es gibt weitere Beispiele, in denen 13 bis 14-Jährige einen Transfer nicht verkraftet haben – auch bei St. Pauli. Im Vergleich zu den Wolfsburgern hat der Kiezklub aus den Fehlern gelernt und nimmt ganz junge Spieler nur noch aus der Nähe auf.

„Dass ein Spieler unseren Verein verlassen möchte, ist legitim“, sagte St. Pauli-Nachwuchsleiter Joachim Philipkowski dem Hamburger Abendblatt. „Hier wird aber ein 13-jähriger Junge in einer wichtigen Entwicklungsphase aus seinem gewohnten familiären und sozialen Umfeld gerissen, um unter vermeintlich besseren Bedingungen Fußball spielen zu können.“  RLO