Altes, neues Stadion

ARENA 1999 wurde das Potsdamer Ernst-Thälmann-Stadion abgerissen. Jetzt wollen Bürger es wieder aufbauen lassen

„Einen Sportplatz für den Freizeit- und Breitensport zu bauen ist leider keine Pflichtaufgabe der Kommune“

JAN BRUNZLOW, PRESSESPRECHER DES POTSDAMER OBERBÜRGERMEISTERS JANN JAKOBS (SPD)

VON TORSTEN HASELBAUER

Heute wäre diese Arena wieder richtig zeitgemäß. Ein Sportstadion mitten in der Stadt, offen für den Breiten- wie Leistungssport. Eine multifunktionale Anlage mit einem Fassungsvermögen von 15.000 Zuschauern und mit öffentlichen Verkehrsmitteln ganz einfach zu erreichen. Der Trend in der Planung von neuen Sportstätten geht ja aktuell genau in diese Richtung. Auch in Potsdam wieder?

Die Brandenburger Landeshauptstadt besaß nämlich bis zum Jahr 1999 genau ein solches Stadion. Am 1. Juli 1949 wurde es eingeweiht und auf den Namen Ernst-Thälmann-Stadion getauft. Die Arena war nicht weniger als der erste große Sportstättenbau in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Stadion lag im Zentrum, dem Herzen der Brandenburger Landeshauptstadt auf dem Gelände des ehemaligen Lustgartens. Direkt gegenüber steht das vor einem Jahr eingeweihte Landtagsschloss. Die Straßenbahnen halten immer noch hier an der Haltestelle, die einstmals den Namen des Stadions trug. Zum Hauptbahnhof sind es kaum mehr als zehn Minuten zu Fuß. Die älteren Potsdamer haben in dieser Arena vor allem Schulsport getrieben. Sie schauten sich hier die Zielankünfte der legendären Rad-Friedensfahrten an, haben Leichtathletik- und Fußballveranstaltungen besucht. Auch Rugby wurde hier gespielt, im Sommer viele Volksfeste gefeiert und Konzerte veranstaltet.

DDR-Architektur entfernt

Das alles ist lange her. Das Ernst-Thälmann-Stadion wurde vor gut 15 Jahren abgerissen. Es musste einer Bundesgartenschau weichen. Für Ersatz wurde nicht gesorgt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war das Stadion für die aufstrebende Landeshauptstadt Potsdam völlig aus der Zeit gefallen. Nicht nur wegen des Namensgebers, der KPD-Parteivorsitzende Ernst Thälmann, der im August 1944 von den Nazis im Konzentrationslager Buchenwald hingerichtet wurde. „Das Stadion passte nicht mehr ins angestrebte barocke, rückwärtsgewandte Stadtbild von Potsdam. Es wurde abgerissen und damit ein weiteres Stück DDR-Architekturgeschichte aus Potsdam entfernt“, klagt Lutz Boede, einer der drei Potsdamer Stadtverordneten der Fraktion „Die Andere“. Dann folgt der bemerkenswerte Satz: „Wir schließen uns auch deshalb der Bürgerforderung für den originalgetreuen Wiederaufbau des Ernst Thälmann Stadions an.“

Mindestens ein Bürger hat genau diesen Wunsch in die große Rote Box geworfen, die an dem Neuen Lustgarten steht. Insgesamt sechs Monate lang war die Potsdamer Bürgerschaft aufgefordert, sich in einem Beteiligungsverfahren mit Ideen zur Umgestaltung ebendieses Lustgartengeländes zu beteiligen. Die Box steht ungefähr da, wo einstmals das Eingangstor zum Ernst-Thälmann-Stadion war. Ein Zufall? Jetzt ist die Idee des „originalgetreuen Wiederaufbaus des Ernst Thälmann Stadions“ in Potsdam dort wieder aufgetaucht. In einer Stadt, die per Stadtrat-Beschluss aus dem Jahr 1990 fast alles wieder originalgetreu aufbauen will, sofern es nur aus der barocken Zeit stammt. So wie aktuell die Gedächtniskirche, ein Barockbau aus dem Jahr 1732, im Zweiten Weltkrieg zerbombt und dann 1968 gesprengt. „Aber warum soll nicht mal ein Stadion für den Freizeit- und Breitensport wieder dort entstehen, wo es einstmals schon stand? In Potsdam gibt es doch einen krassen Sportplatzmangel“, fragt sich mittlerweile nicht nur der Bürger Philipp Ziems. Er ist einer der Mitinitiatoren der alten, neuen Stadionidee. Ziems hat sie Mitte September in ein großes, soziales Mediennetzwerk platziert und damit bemerkenswert schnell viele neue Freunde gefunden. „Ich sorge damit für Öffentlichkeit für ein schönes, wichtiges Sportstadion mitten in Potsdam. Wir brauchen das doch dringend“, sagt der 24-jährige Ziems.

Idee gewinnt an Zuspruch

Was er und ein paar Mitstreiter als eine belächelte und wenig beachtete Initiative vor kaum drei Monaten starteten, gewinnt mehr und mehr an Zuspruch. Kein Wunder. Denn der von Ziems in Potsdam beklagte Sportplatzmangel steht außer Frage. Nicht weniger als zwölf Sportplätze fehlen aktuell und offiziell in Brandenburgs Landeshauptstadt. In einer Stadt also, die sich nach außen gerne als Sportstadt tituliert, ihre Bürger aber kaum mehr mit einer modernen und funktionierenden Sportinfrastruktur ausstatten kann.

Die Stadtoberen haben die Problematik der chronischen Sportstättenunterversorgung erkannt. „Ja, es gibt einen Bedarf an neuen Sportflächen in der Landeshauptstadt. Dies betrifft sowohl Sportplätze als auch Sporthallen. Da die Nutzung der Sportanlagen in Potsdam für die Vereine kostenlos ist, ist auch die Nachfrage sehr hoch“, erklärt Jan Brunzlow, Sprecher der Stadt Potsdam auf Anfrage der taz. Brunzlow verweist gerne auf einige Neubauprojekte. Aber auch darauf: „Einen Sportplatz für den Freizeit- und Breitensport zu bauen ist leider keine Pflichtaufgabe der Kommune.“ Das verheißt sportlich wahrscheinlich nichts Gutes, auch nicht für die „Initiative zum originalgetreuen Wiederaufbau des Ernst Thälmann Stadions“.