EU verschärft Sanktionen

DIPLOMATIE Der UN-Sicherheitsrat ringt um einen Resolutionsentwurf, Amnesty fordert ein Waffenembargo, und die EU spricht Einreiseverbote aus

BERLIN/DAMASKUS/BRÜSSEL taz/dapd/afp | Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, umgehend Schritte zu beschließen, um die Gewalt in Syrien zu beenden. „Die syrischen Behörden haben ihren bisher tödlichsten Angriff auf im Wesentlichen friedliche Protestierende entfesselt, die Reformen fordern“, sagte Philip Luther, bei Amnesty für den Nahen Osten und Nordafrika zuständig. „Es ist klar, dass Präsident Baschar al-Assad nicht bereit ist, seine Sicherheitskräfte zu stoppen. Daher muss die UNO entscheidende Maßnahmen ergreifen, um diese gewaltsame Repressionskampagne aufzuhalten.“

Amnesty fordert die Verhängung eines Waffenembargos, das Einfrieren der Guthaben von Assad und anderen Vertretern des Regimes sowie die Übergabe des Falls an den Internationalen Strafgerichtshof. Letzteres ist auch eine Forderung syrischer Oppositionspolitiker; eine militärische Intervention lehnen diese jedoch ab.

Mitglieder der syrischen Opposition, die in den USA leben, sowie amerikanisch-syrische Aktivisten wollten sich am Dienstag mit US-Außenministerin Hillary Clinton und anderen Vertretern des State Department treffen. Thema sollten die andauernden militärischen Operationen und Menschenrechtsverletzungen in Syrien sein, vor allem die Angriffe auf die Städte Hama, Deir as-Sur und andere.

Der UN-Sicherheitsrat diskutierte am Montag über die eskalierende Situation in Syrien. Eine Dringlichkeitssitzung, die von Deutschland beantragt worden war, ging jedoch ohne konkrete Ergebnisse zu Ende. Zur Debatte standen ein europäischer Resolutionsentwurf, der das Vorgehen der syrischen Regierung verurteilt, sowie andere Vorschläge für eine zurückhaltender formulierte Stellungnahme. Die Veto-Mächte Russland und China, aber auch Brasilien, Südafrika und Indien sprachen sich bislang gegen eine Verurteilung des Assad-Regimes aus. Sie befürchten vor allem, dies könne wie im Fall Libyens Vorbote eines militärischen Eingreifens sein. Nach Angaben einiger Diplomaten sollen sich die Mitgliedstaaten inzwischen einig sein, dass der Sicherheitsrat im Falle Syriens aktiv werden muss. Die Debatte sollte am Dienstag fortgesetzt werden.

Unterdessen erklärte die EU den syrischen Verteidigungsminister zur unerwünschten Person. Mit der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt wurde das Einreiseverbot für General Ali Habib Mahmud am Dienstag rechtskräftig. Der 62-Jährige gehört zu den fünf Personen, die die EU am Vortag auf ihre Sanktionsliste gesetzt hatte. Die Union reagierte mit der Verschärfung der Sanktionen gegen das Assad-Regime auf die Militäroffensive zu Beginn des Fastenmonats Ramadan, bei der seit dem Wochenende mindestens 130 Menschen ums Leben gekommen sind.

Neben dem syrischen Verteidigungsminister befinden sich Assads Onkel mütterlicherseits, Mohammed Mahluf, ein Vertrauter von Assads Bruder Mahir Assad, und zwei Geheimdienstchefs auf der Verbotsliste der EU. Einer der beiden Letztgenannten ist Mohammed Mufleh, der den militärischen Geheimdienst in der Protesthochburg Hama leitet. Ihnen allen wird vorgeworfen, direkt oder indirekt an dem brutalen Vorgehen gegen Zivilisten beteiligt zu sein. Zusätzlich zu den auferlegten Reisebeschränkungen wurden auch die Vermögenswerte der betreffenden Personen in der EU, sofern vorhanden, eingefroren.

Doch die EU will die diplomatischen Beziehungen zu Syrien offenbar nicht vollständig kappen: Der Name des syrischen Außenministers, Walid Moallem, steht nicht auf der Sanktionsliste. Seit Beginn der Gewalt in Syrien Mitte März wurden 35 Personen auf die Verbotsliste gesetzt, darunter auch Baschar al-Assad selbst. Mit vier syrischen Firmen dürfen EU-Unternehmen keine Geschäfte mehr machen.

Die italienische Regierung rief ihren Botschafter in Syrien angesichts der „entsetzlichen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung“ zu Konsultationen nach Rom zurück. Außenminister Franco Frattini forderte am Dienstag in einer Erklärung alle EU-Länder auf, es Rom gleichzutun. Ein entsprechender Schritt ist EU-weit jedoch nicht geplant, wie aus Diplomatenkreisen in Brüssel bekannt wurde.

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