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LESERINNENBRIEFE

Tödliche Infektionen

■ betr.: „Das Journalistenteam Correctiv korrigiert sich“, taz vom 25. 11. 14

Irgendwie kann ich nicht nachvollziehen, was Ihr Autor Jost Maurin so gegen die Reportergruppe aufgebracht hat, dass er sogar von einer „Blamage in Großformat“ spricht. Letztendlich geht es doch nicht um die korrekte Zahl derjenigen, die aufgrund einer nicht mehr behandelbaren Infektion mit multiresistenten Keimen gestorben sind; vielmehr geht es darum, dass die Gefahr, an einer unbehandelbaren Infektion zu sterben, ständig größer wird.

In unseren europäischen Nachbarstaaten sieht das dagegen ganz anders aus. In London fand vor wenigen Wochen eine wissenschaftliche Antibiotikakonferenz statt, zu der die Royal Society of Medicine geladen hatte. Der schwedische Minister – durch Video zugeschaltet – erklärte, dass der Kampf gegen die Antibiotikaresistenzen „oberste Priorität für die schwedische Regierung“ habe. Die Forscher geißelten den Wahnsinn der Tierfabriken. „Wenn wir so weitermachen, sind schon normale Infektionen und leichte Verletzungen demnächst tödlich.“ Aus Deutschland jedoch war kein politisch Verantwortlicher erschienen. Lediglich ein Arzt aus Deutschlands massenstallreichstem Gebiet hat teilgenommen, der das Problem der Resistenzen bei seiner täglichen Arbeit in seiner Landpraxis erlebt.

So sollen bereits 80 Prozent der Landwirte in viehreichen Regionen von gefährlichen Keimen befallen sein. In Deutschland wird die Massentierhaltung seit Jahren politisch gefördert mit Millionen für immer neue Stall- und Schlachtanlagen, oft von Politikern, die auch nebenher als Unternehmer tätig sind.

In einem neuen Arzneimittelgesetz müsste dringend die Vergabe von Antibiotika in Ställen verboten werden. Vor einer Vergabe von Antibiotika an PatientInnen müsste stets der Erreger ermittelt werden, damit nicht wirkungslose Mittel verordnet werden. Schließlich möchte wohl niemand eine mittelalterliche Zukunft erleben ohne hilfreiche Antibiotika. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Schießen auf Papiertiger

■ betr.: „Ein höchst problematisches Spektrum“, taz vom 26. 11. 14

Otmar Steinbicker sieht eine problematische Öffnung der Friedensbewegung nach rechts. Er sieht auch mich als Rechtskraft an, der er schaden will. Das Umfeld des Essener Friedensforums schüttelt da nur mit dem Kopf, von den Antifaschisten über Linke bis zu kreativen und pädagogischen Aktiven und Freunden der Friedensbewegung. Schnellurteile – hier, weil ich KenFm ein Interview gab – sind der Friedensbewegung fremd. Die Unterwanderung der klassischen Friedensbewegung oder gar einen Schulterschluss gibt es nicht.

Es gibt regional Dialoge und projektartige Absprachen bei Vorhaben. Die Montagsmahnwachen haben keinesfalls eine solch klare Form gefunden, dass ein „Zusammenschluss“ (Steinbicker) oder Ähnliches ansteht. Hier wird auf nicht reale Papiertiger geschossen. Ich habe den Aufruf zum Friedenswinter mitgestaltet und weiß, dass für uns Antisemitismus und mangelnde Abgrenzung gegen (Neu-)Rechte intolerabel sind. BERNHARD TRAUTVETTER, Essen

Harter Kampf für unsere Rechte

■ betr.: „Getrennt verhandeln, gemeinsam abschließen“, taz vom 21. 11. 14

„Die EVG steht für Tarifeinheit und wird für dieses Ziel mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln kämpfen“, hat der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner erklärt. Eine Arbeitnehmer-Vertretung, die für das Hauptziel des Arbeitgebers kämpft? Stellt sich mir mehr und mehr die Frage, welcher der (angekündigten) Streiks rechtlich und moralisch der verwerflichere ist: Der, der sich für die Mitglieder einsetzt und sich auf im Grundgesetz verankerte Rechte stützt, oder jener, der sich dem entgegenstellt, um unter dem Vorwand der Tarifeinheit (die es de facto in Deutschland nicht gibt) und einer möglichen Spaltung der Belegschaft eigenen Einfluss zu sichern?

„Wir hatten die Chance, die Spaltung der Belegschaft zu verhindern, das ist am Widerstand der GDL gescheitert“, sagte Kirchner.

Ich blättere mal neun Jahre zurück, als ich kurz vor dem Abschluss meiner Ausbildung zum Mechatroniker stand, und erinnere mich an eine Infoveranstaltung im Bahn-Tower in Frankfurt, an der unter anderem Funktionäre der damals noch „Transnet“ heißenden Gewerkschaft uns junge Azubis darin bekräftigten, nach Abschluss der Ausbildung als besten aller möglichen Wege zur DB Zeitarbeit AG zu gehen (merke: gleiche Arbeit, weniger Geld, ständig wechselnde Einsatzorte mit der theoretischen Möglichkeit, irgendwo hängenzubleiben). Eben jene Funktionäre rufen nun verzweifelt in die Bahnwelt hinein, dass verschiedene Tarifverträge bei gleicher Tätigkeit unfehlbar zur Spaltung der Belegschaft führen.

Damit zusammenhängend möchte ich auf viele Beschäftigungsformen in Deutschland hinweisen, die auch von den im DGB organisierten Gewerkschaften mitgetragen werden, die derzeit mit am lautesten nach der Tarifeinheit schreien. Stellvertretend seien neben der Zeitarbeit Minijobber, Angestellte mit Werkverträgen oder zeitlich befristet angestellte Arbeitnehmer genannt.

Das Einzige, was ich bisher nicht verstanden habe, ist: Warum sollen zwei konkurrierende Tarifverträge, bei denen die Arbeitnehmer quasi die volle Wahlfreiheit haben, welchem Tarifvertrag sie angehören möchten und bei denen in beiden Fällen eine mehr oder minder angemessene Bezahlung erfolgt, zu einer Spaltung der Belegschaft führen, wenn es bei „prekären Beschäftigungsverhältnissen“ nicht der Fall ist (sonst hätte man sie als Gewerkschaft ja nicht mittragen dürfen)? Deshalb weiter viel Kraft uns allen bei dem harten, mit viel Gegenwind verbundenem Kampf für unsere Rechte, ganz gleich, welcher Tätigkeit wir nachgehen! JAN FRIEDRICH, Singen

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