Knapp am Knast vorbeigeworfen

Das Landgericht verurteilt einen 21-Jährigen zu einer Bewährungsstrafe wegen Steinwürfen in der Walpurgisnacht. Der Angeklagte kann sich an nichts erinnern

Als Maximilian B. in der diesjährigen Walpurgisnacht in Friedrichshain unterwegs war, da stand sein bunter Iro noch. Fotos in mehreren Boulevardblättern beweisen dies. Gestern lag die Haarpracht des 21-jährigen Punks darnieder. B. stand wegen schwerem Landfriedensbruch, versuchter schwerer Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt vor dem Landgericht. Er war am 30. April spät nachts auf dem Boxhagener Platz festgenommen worden, weil er Steine und Plastikflaschen auf Polizisten geworfen haben soll.

Doch die Beweislage ist dürftig. Die Polizei hatte gefilmt, aber es war dunkel und die Aufnahmen sind schwierig auszuwerten. B.s Anwältin bemerkt, „die haben doch da alle solche Frisuren“ – womit sie den Irokesenschnitt meint. Dann tritt ein Polizeibeamter als Zeuge auf. Er hatte an jenem Abend nach Steineschmeißern Ausschau gehalten und den Angeklagten beim Werfen beobachtet.

Maximilian B. selbst legt ein Geständnis ab – allerdings mit einer Einschränkung: Er könne sich an nichts mehr erinnern. „Ich weiß noch, dass ich mich mit meiner Freundin unterhalten habe. Und dann wieder, dass mich Polizisten von hinten zu Boden reißen und mitnehmen“, erzählt er. Ein Filmriss wegen Alkohol? Nein, sagt er, er habe an dem Abend zwar viel getrunken, aber er kenne solche Blackouts aus sehr gefühlsgeladenen Situationen.

Die Freundin bestätigt dies: „Er tobt manchmal und schreit mich an und kann sich nachher nicht daran erinnern“, sagt sie. An dem Abend sei sie mit ihm unterwegs gewesen. „Wir haben das Konzert auf dem Platz gesehen und wollten gerade gehen, weil ich einen Polizeiknüppel in den Bauch bekommen hatte.“ Dann habe sie ihren Freund aus dem Augen verloren und erst über die Zeitung von seiner Verhaftung erfahren.

Ein ärztlicher Gutachter diagnostiziert eine Persönlichkeitsstörung. Es könne durchaus sein, dass er sein Verhalten nicht mehr voll steuern konnte, weil er wegen dem Knüppelschlag sehr aufgebracht gewesen sei. Nach den Plädoyers sagt B.: „Mir tut das alles wirklich sehr leid.“

Der Richter folgt dem Gutachten, sieht eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten und verurteilt ihn zu einem Jahr und acht Monaten Gefängnis auf Bewährung. „Hätte man Ihnen die Erinnerungslücke nicht geglaubt, hätte das auch mit einer Strafe ohne Bewährung enden können.“ B. selbst ist „zufrieden“ mit dem Urteil: „Alles ist besser, als im Knast zu sein.“

Regina Finsterhölzl