Freie Fahrt für Fernbusse

VERKEHR Die Deutsche Bahn AG verliert ihr Monopol für den Fernverkehr. Ab 2012 sollen ihr Busunternehmen Konkurrenz machen. Verbraucher- und Umweltschützer freut das

Studien bescheinigen den Bussen ein Potenzial von bis zu zehn Prozent Marktanteil

VON M. RANK
UND C. JANKE

BERLIN taz | Wer heute mit dem ICE von Hamburg nach Mannheim reisen will, zahlt dafür 112 Euro. Dieselbe Strecke könnte man mit einem Linienbus auch für 34 Euro zurücklegen. Doch bislang nur nachts. Ein Gesetz aus dem Jahr 1934 verbietet Busunternehmen, Tarife anzubieten, die bereits von der Bahn abgedeckt werden. Damit will die Bundesregierung ab 2012 Schluss machen. Am Mittwoch beschloss das Kabinett eine weitgehende Freigabe des innerdeutschen Buslinienverkehrs.

In Zukunft sollen Busse Fahrten auf praktisch allen Strecken anbieten können. Zwar müssen Fernbuslinien auch künftig bei den Länderbehörden beantragt werden. Doch die Zahl der Haltestellen soll nicht beschränkt werden. Zudem können auch mehrere Konkurrenten Verbindungen parallel befahren. Lediglich den öffentlich finanzierten Nahverkehrsangeboten sollen Fernbusse nicht verkappt Konkurrenz machen – daher müssen Fernbushaltestellen mindestens 50 Kilometer voneinander entfernt sein. „Wir befreien den Markt von seinen Fesseln“, sagte Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Schwarz-Gelb hatte sich schon im Koalitionsvertrag auf eine Liberalisierung des Fernbusverkehrs geeinigt.

Von eins auf fünfzig

In Ländern wie Schweden und den USA ist das Monopol der Bahn längst Geschichte. Busunternehmen rechnen fest damit, dass nun auch in Deutschland ein lukrativer Markt entstehen wird. Die Wettbewerber stehen in den Startlöchern: Rund 50 Unternehmen werden darum konkurrieren, ein umfassendes und preiswertes Liniennetz zwischen Großstädten zu errichten.

Eine davon ist die Deutsche Touring GmbH. Vertriebsleiter Frank Bodlak kündigte bereits an, seine Flotte massiv aufzustocken: Das Unternehmen spricht bereits mit regionalen Fahrbetrieben, um die Fernbusse an die Fahrpläne mittelgroßer Städte anzubinden.

Die Bahn hingegen kritisiert die geplante Abschaffung der Genehmigungspflichten für neue Linien. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte, diese seien „erforderlich, um im Interesse der Kunden das heutige Sicherheits- und Qualitätsniveau im öffentlichen Personenverkehr in Deutschland zu gewährleisten“. Im Klartext heißt das: Die Bahn will an den alten Vorgaben festhalten. Sie fürchtet, Kunden an die neue Konkurrenz zu verlieren, und geht dabei von einem Nachfragerückgang von 10 bis 20 Prozent aus.

Doch wie viele bisherige Bahnfahrer werden tatsächlich auf das neue Verkehrsmittel umsteigen? Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) schätzt, dass es rund 1 Million Fahrgäste pro Jahr sein werden. Und auch andere Studien bescheinigen den Fernbussen ein hohes Potenzial. Fabian Haunerland, Mitverfasser einer unabhängigen Studie der TU Dresden, rechnet mit einem Marktanteil von 8 bis 10 Prozent. Zugleich rechnet Haunerland damit, dass der Anteil der Bahn nahezu unberührt bleibe. Im schlimmsten Fall würde die Bahn 3 Prozent davon verlieren. „Das wäre auch nur dann der Fall, wenn nicht auf die neue Konkurrenz reagiert wird und keine besseren Sparpreise angeboten werden“, sagte Haunerland.

Auch der Verbraucherschützer Otmar Lell glaubt nicht daran, dass die Busse für die Bahn zu einem großen Problem werden könnten. „Busse und Bahnen sprechen unterschiedliche Zielgruppen an“, sagte der Verkehrsexperte. Busse würden vor allem Kunden ansprechen, die sich Bahnfahrten ohnehin nicht leisten könnten.

Gute CO2-Bilanz

Die Verbraucherzentrale begrüßt die Busse auch deswegen, weil sie oft umweltschonender als die Bahn seien: „Busse haben eine gute CO2-Bilanz und ein besseres Verhältnis von Fahrzeuggewicht und Passagieren“, sagte Lell.

In anderen Bereichen gehe ihm die Gesetzesänderung jedoch nicht weit genug. „Der Gesetzgeber versucht, so wenig wie möglich zu verändern.“ Das betreffe vor allem den Bedarfsverkehr im Nahbereich. So befinden sich Busse auf Anruf, die es mittlerweile überall in ländlichen Gegenden gibt, weiterhin in einer rechtlichen Grauzone. „Im Gegensatz zu den Fernbusunternehmen haben die keine Lobby.“