BARBARA OERTEL ÜBER DEN WAHLAUSGANG IN DER REPUBLIK MOLDAU
: Ein tief gespaltenes Land

Für Brüssel ist das vorläufige Ergebnis der Parlamentswahl in der Republik Moldau wahrlich kein Grund zur Beruhigung. Selbst wenn es den regierenden proeuropäischen Kräften gelingen sollte, erneut eine Koalition zu bilden und ihren Kurs einer Annäherung an die Europäische Union fortzusetzen, kann das zum Richtungsentscheid stilisierte Votum über einen Umstand nicht hinwegtäuschen: Die moldauische Gesellschaft ist zutiefst gespalten zwischen denjenigen, die sich von einer Hinwendung zum Westen bessere Perspektiven versprechen, und denjenigen, die ihr Heil im Schoße Russlands suchen.

Für Letztere dürften mehrere Gründe den Ausschlag für ihre Entscheidung gegeben haben. Da ist allen voran das Beispiel der benachbarten Ukraine, das nachdrücklich vor Augen führt, wohin eine Abwendung von Moskau führen kann: nicht nur zu Wirtschaftsembargos und – wie im Falle Transnistriens – zu einem jahrzehntelangen „eingefrorenen Konflikt“, sondern geradewegs in einen Krieg mit Tausenden Toten.

Zudem sind es vor allem ältere Menschen, aber auch die mehrheitlich russischsprachigen Bewohner der autonomen Region Gagausien, die für die Propaganda des Kreml besonders empfänglich sind. Nicht zuletzt spielte der Ausschluss der Putin-orientierten Partei „Vaterland“ nur wenige Tage vor der Wahl eine Rolle. Er dürfte erheblich zum unerwartet guten Abschneiden der kremltreuen Sozialisten beigetragen haben.

Interessant ist nunmehr die Frage, wie Moskau reagieren wird. In alt bewährter Manier, das heißt über Politik mit dem Gaspreis, oder eher durch eine verstärkte Einflussnahme auf pro-russische Abgeordnete im Parlament? Zumindest die Sozialisten haben schon einmal eine prorussische Politik angekündigt. Es könnte ungemütlich werden in Chisinau.

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