Immer kräftig klagen

INVESTORENSCHUTZ Vattenfall gegen Deutschland,Großkonzerne gegen Argentinien …

BERLIN taz | Die Energiefirma Vattenfall verklagt Deutschland wegen der Stilllegung von zwei Atomkraftwerken. Argentinien muss 980 Millionen US-Dollar an 40 Großkonzerne zahlen, weil das Land angesichts der Finanzkrise die Preise für Strom und Wasser einfror. Investoren aus Italien und Luxemburg verklagten Südafrika, weil es Bergbauunternehmen verpflichtete, einen Teil ihrer Aktien an schwarze Investoren zu übertragen – um die Folgen der Apartheid zu lindern.

Das klingt, als wollten sich Konzerne gegen Staaten verschwören. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich: Recht und Rechtsprechung wandeln sich derzeit tiefgreifend – zumindest zwischen ausländischen Unternehmen und Staaten.

Ein Grund dafür ist der sogenannte Investorenschutz, der auch im Ceta-Abkommen zwischen der EU und Kanada vorgesehen ist und den Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nicht verhindern will. Deshalb rumort es jetzt in der SPD.

Weltweit gibt es mehr als 3.000 bilaterale Verträge, die einen Investorenschutz für Unternehmer vorsehen. Deutschland hat 130 dieser Verträge ratifiziert.

Um auf Schadenersatz zu klagen, müssen die Investoren nicht vor nationale, ordentliche Gerichten ziehen, sondern können ein Schiedsgericht anrufen. Das soll die Konflikte schneller lösen. Denn auf die Schiedsrichter – praktizierende Anwälte oder Wissenschaftler – einigen sich die Streitparteien untereinander. Ihre Urteile sind unanfechtbar und direkt vollstreckbar.

Gegen diese Schiedssprüche kommen auch europäische Gesetze nicht an, wie ein Beispiel aus Rumänien zeigt: In den späten 90er Jahren investierten dort zwei schwedische Anleger in eine Abfüllanlage für Getränke. Das war lukrativ, weil der rumänische Staat großzügige Subventionen genehmigte. Als Rumänien der EU beitrat, strich die Regierung die Privilegien. 2006 reichten die Investoren Klage ein. Obwohl die EU-Kommission bestätigte, dass Rumänien nur seine Gesetze auf europäischen Standard brachte, musste das Land 250 Millionen US Dollar zahlen. JULIA AMBERGER