LESERINNENBRIEFE
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Wasserwerfereinsatz auf Seite 1

■ betr.: „S 21. Strafe für Polizisten: keine“, taz vom 27. 11. 14

taz sei Dank: Die skandalöse Einstellung des Prozesses um den Wasserwerfereinsatz gehört auf die Seite 1, allerdings mit der korrekten Zahl der Verletzten (über 400), die erst auf der Seite 2 zu finden ist. Es muss auch immer noch und immer wieder über den Grund für die offizielle Zahl des Innenministeriums (über 160) und die unterdrückte Zahl der Parkschützer informiert werden. Am schwarzen Donnerstag 2010 waren von offizieller Seite nur ungenügend und mit zeitlicher Verzögerung Rettungskräfte im Einsatz, die über 160 Verletzte versorgten. Die Mehrzahl der Verletzten wurden von Rettungsdiensten versorgt, die ohne offiziellen Auftrag zum Ort des Geschehens geeilt waren.

ANNETTE BÄNSCH-RICHTER-HANSEN, Wiesbaden

Profit aus Einwanderung?

■ betr.: „Schweiz. Das Volk sagt gleich dreimal Nein“, taz v. 1. 12. 14

War es bei der Frage, ob man die Einwanderung reduzieren sollte oder nicht, vielleicht mehr die Absicht, aus der Einwanderung und den Einwanderern Profit zu ziehen, als der gesunde Menschenverstand? KILIAN BECKER, Wegscheid

Niemand zwingt zum Konsum

■ betr.: Strategischer Optimismus“ von Gabriele Goettle,taz vom 24. 11. 14

Was Ute Scheub darstellt und modellhaft für eine „Unterwanderung des maroden System des Kapitalismus“ bezeichnet, ist hochinteressant und an vielen Stellen wirklich nur sehr zu begrüßen.

Den Konsumismus abzubauen, gehört zu den notwendigen Überlebensstrategien eines begrenzten Planeten. Überlegungen zur Entschleunigung unseres Lebens und zu neuen Formen der Arbeitsorganisation gehören ganz nach vorn auf der Agenda ökonomischen Handelns. Aber schon die Analyse, dass Konsumismus und Hektik allein dem bösen Kapitalisten zuzuschreiben ist, ist einseitig. Niemand ist zum Konsum gezwungen. Wir alle schätzen das durch den (Ideen-)Wettbewerb entstehende breite Angebot an Lebens- und Freizeitmöglichkeiten. Entsteht das Leiden vieler Leute nicht dadurch, dass sie sich nicht bescheiden können, das heißt viel zu viele Möglichkeiten modernen Lebens auskosten wollen? Wer soll die Angebotsvielfalt denn begrenzen oder nach schlecht oder gut sortieren? Eine Staatliche Plankommission? Hoffentlich gibt es die niemals wieder!

Vor allem aber ist es falsch, die von Ute Scheub beschriebenen alternativen Formen der Ökonomie als Modell für ein neues Wirtschaftssystem darzustellen. Die Second-Hand-Wirtschaft oder das Leben ohne Geld braucht als Basis den First-Hand-Nutzer. Genossenschaften sind zwangsläufig regional orientiert und auf relativ einfache Prozesse beschränkt. Unser modernes Leben und Wirtschaften hat viele verrückte Aspekte, hat aber nicht nur Nachteiliges, sondern viel höchst Vorteilhaftes gebracht. Es basiert auf hoch entwickelter Forschung und Industrie.

Einige Beispiele: Das Internet, die Computertechnik, moderne öffentliche Verkehrsmittel oder effektive Medikamente sind ohne eine hoch entwickelte Industrie nicht denkbar. Den Strom für die Straßenbahn oder für die Computer-Chip-Produktion kann ich nicht nur auf dem Hausdach produzieren. Den Kunststoff für den Fahrradhelm, die Anti-Baby-Pille oder die Entwicklung und Produktion von für jeden erschwinglichen Laptops können örtliche Genossenschaften nicht leisten. Und Sozialleistungen müssen auch erwirtschaftet werden. Also: Wir brauchen die Kleinteiligkeit genauso wie die hochproduktive Industrie und Landwirtschaft oder den globalen Verkehr von Menschen, Ideen und Produkten – allerdings mit ständigem Abbau der negativen Nebenwirkungen.

LUDWIG HOFFMANN, Wernigerode

Demonstrieren für Alternativen

■ betr.: „Globalisierung. Die Alpenfestung“, taz vom 28. 11. 14

Drei Monate nach der Einweihung der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt gerät das G 7 im bayerischen Elmau im Juni 2015 zum Showdown von TTIP, Nato-Osterweiterung und den letzten Sargnägeln, die ins Jungholz der alternativen Energien getrieben werden. Dieselbe Bundeskanzlerin, die 120 Staatschefs auf dem Umweltgipfel in New York hocken ließ, um beim Jubiläum des Lobbyverbandes BDI zu weihräuchern, schminkt nun ausgerechnet das Thema „Umwelt“ auf die Postkartenagenda des Gipfels. Alles Fake.

Wegen der in unmittelbarer Nachbarschaft stattfindenden Bilderberger-Konferenz mit Steuermafioso Juncker und den anderen Ich-weiß-von- gar-nichts-Typen kriegen die bayerischen Sicherheitskräfte ob der zu erwartenden Blockaden in den engen Tälern schon jetzt das kalte Grausen. 15.000 Polizisten sollen das gesamte Hochtal gegen die Empörung der Menschen abriegeln, die Bundeswehr rüstet hoch, Bauzäune werden installiert und eine ganze Region wird unter Hausarrest gestellt. Kosten der Selbstblockade: 230 Millionen Euro und ein Super-GAU für die Demokratie. Ein Gespenst geht um in Bayern, das Gespenst von Blockupy und Heiligendamm.

Waren schon die Versammlungsverbote damals als verfassungswidrig verurteilt worden, setzt der bayerische Innenminister Herrmann nun noch eins drauf und will Camps glatt ganz verbieten. „Wir zeigen bayerische Stärke.“ Schon aus diesem Grund wird es notwendig sein, das Hochtal zu fluten und für bessere Alternativen zu demonstrieren. Bleibt zu hoffen, dass so viele nach Elmau und Garmisch kommen, dass es beim G 7 richtig eng wird! WUCK LINHARDT, München