Syrische Flüchtlinge müssen hungern

HILFE Schwerste Krise der humanitären UN-Organisationen seit 1945: Das Welternährungsprogramm kann mangels Unterstützung durch die Mitgliedstaaten 1,7 Millionen Menschen nicht mehr versorgen

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

1,7 Millionen syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern Jordanien, Libanon, Irak, Türkei und Ägypten erhalten seit Montag keine internationale Nahrungsmittelhilfe mehr. Das für ihre Versorgung zuständige Welternährungsprogramm (WFP) der UNO musste die Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen an diese Flüchtlinge stoppen, weil viele Mitgliedstaaten des WFP ihre Finanzzusagen nicht eingehalten haben. Um die Ausgabe von Gutscheinen an die notleidenden Menschen wieder aufnehmen und wenigstes bis Ende 2014 fortsetzen zu können, benötigt das WFP 64 Millionen US-Dollar.

Durch das Gutscheinprogramm flossen bislang rund 800 Millionen Dollar in Läden in den Aufnahmeländern, die den 1,7 Millionen Flüchtlingen dafür Nahrungsmittel aushändigen. 1,3 Millionen syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern werden durch direkte Nahrungsmittellieferungen versorgt.

Bereits zum 1. November sah sich das WFP wegen seiner völlig unzureichenden Finanzausstattung gezwungen, die täglichen Nahrungsmittelrationen für diese Flüchtlinge zu kürzen. Ähnlich wie das WFP ist auch das UNHCR mangels ausreichender finanzieller Unterstützung durch seine Mitgliedstaaten immer weniger in der Lage, seine Verantwortung für die Flüchtlinge aus Syrien und anderen Konfliktregionen (weltweit inzwischen 50,5 Millionen) wahrzunehmen.

Von den über 3,3 Millionen syrischen Flüchtlingen, die das UNHCR inzwischen im Ausland registriert hat, leben mehr als drei Millionen in den Nachbarländern (Libanon 1,15 Millionen, Türkei 1,06 Millionen, Jordanien 620.000, Irak 223.000, Ägypten 135.000). Dabei dürfte die Dunkelziffer der vom UNHCR nicht registrierten Flüchtlinge weit höher sein. Lediglich knapp 200.000 der über 3,3 Millionen registrierten syrischen Auslandsflüchtlinge fanden bislang außerhalb der Region in Europa oder den USA Aufnahme.

Zu den Auslandsflüchtlingen kommen über 6,9 Millionen registrierte Binnenvertriebene innerhalb Syriens, die ebenfalls teilweise vom UNHCR und vom WFP versorgt werden. Auch deren Versorgung nicht nur mit Nahrungsmitteln, sondern auch mit Medikamenten, warmer Kleidung, Decken, Zelten oder Feuerholz für das Überleben im Winter ist akut gefährdet, wenn die Mitgliedstaaten der beiden UNO-Organisationen jetzt nicht umgehend die erforderlichen Finanzmittel bereitstellen.

Bereits zum 1. Juli hatten UNHCR und WFP die täglichen Nahrungsmittelrationen für zunächst 800.000 Flüchtlinge in der Zentralafrikanischen Republik und anderen Staaten um durchschnittlich ein Drittel kürzen müssen – von 2.100 Kalorien auf 1.400. Das war ein bisher einmaliges Vorgehen in der Geschichte der humanitären UN-Organisationen seit 1945. Ein dringender Hilfsappell von UNHHCR und WFP an die 193 UNO-Staaten zur Bereitstellung von 189 Millionen US-Dollar zur Wiederaufstockung der Nahrungsmittelhilfe für die afrikanischen Flüchtlinge wurde bis heute nicht erfüllt.

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