Pflüger schürt Neuköllner Angst

CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger poltert gegen den Umzug der Straftäterberatung nach Neukölln. Öffentlich beschwört er mögliche Justizfehler. Er warnt vor Radikalen und argumentiert wie diese

VON REGINA FINSTERHÖLZL

Friedbert Pflüger poltert lautstark gegen den Umzug einer Straftäterberatung nach Neukölln. „Das ist eine törichte Entscheidung, ein Fehler!“, rief der CDU-Fraktionschef bei einer Podiumsdiskussion, zu der seine Partei am Donnerstagabend geladen hatte. „Der Norden von Neukölln hat mit Migration und Kriminalität schon genug Probleme, wir brauchen nicht noch eines“, argumentierte Pflüger.

Nach Plänen der Justizverwaltung soll eine von stadtweit drei Stellen der Sozialen Dienste der Justiz in das ehemalige Finanzamtsgebäude an der Buschkrugallee ziehen. Bisher befindet sich das Büro an der Storkower Straße in Pankow. Die 50 Mitarbeiter betreuen rund 3.500 Verurteilte, deren Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde.

„Das ist einfach eine Lösung, mit der die Stadt Berlin ihre Immobilien besser nutzt und viel Miete sparen kann“, begründet Birgit Meining aus der Geschäftsleitung der Berliner Immobilienmanagement (BIM) GmbH bei der Podiumsdiskussion den Umzug. Auch Gero Meinen, Abteilungsleiter für Justizvollzug beim Senat, versucht zu beschwichtigen: „Das sind freie Menschen, von denen keine Gefahr ausgeht. Die kommen zur Beratung und gehen danach wieder. Sie werden davon nichts merken.“

Doch im Saal erntet er dafür nur Hohngelächter und Rufe wie „Schwindel!“ „Pfui!, „Unerhört!“. Ein Zuhörer ruft: „Und wenn die Betreuer weg sind, vergewaltigen sie wieder Kinder!“ Pflüger gießt weiter Öl ins Feuer. „Diese Leute sind zur Bewährung entlassen, aber wir haben oft genug erlebt, dass die Justiz Fehler gemacht hat“, sagt der CDU-Fraktionschef unter tosendem Applaus. „Ich will die Arbeit der Bewährungshelfer nicht herabwürdigen, aber wir wollen hier keine Straftäter haben.“

Stefanie Vogelsang, CDU-Kreisvorsitzende in Neukölln und stellvertretende Bürgermeisterin im Bezirk, wirft dem Senat vor, „diese Entscheidung klammheimlich getroffen“ zu haben. Im Bezirksamt sei niemand informiert worden. Dem widerspricht Gero Meinen von der Justizverwaltung: „Niemand will daraus ein Geheimprojekt machen. Die Abgeordneten wussten davon.“

Allerdings gibt selbst Fritz Felgentreu, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, Defizite zu. Man hätte die Politiker des Bezirks früher über den Umzug informieren müssen, sagt Felgentreu gestern auf Anfrage der taz. Jedoch könne man diesen Umzug nicht von der Stimmung vor Ort abhängig machen.

Pflüger sieht das anders. „Man muss solche Ängste artikulieren können, sonst tun das radikale Kräfte“, ruft er vom Neuköllner Podium. Der Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) wirft er vor, sich „verraten“ zu haben: Neukölln sollten weitere Probleme aufgeladen werden, weil der Bezirk schon einige habe. Die Senatorin hatte letzte Woche gesagt, es sei sinnvoll, wenn die Mitarbeiter „dort arbeiten, wo ihre Klientel ist“.

Das habe von der Aue nicht auf den Umzug der Sozialen Dienste der Justiz bezogen, betonte gestern eine Sprecherin der Senatorin. Sie habe vielmehr die Jugendgerichtshilfe der Bildungsverwaltung gemeint, die in dasselbe Gebäude ziehen wird. Von der Aue hatte sich bereits für ihre missverständliche Äußerung entschuldigt.