Einsam im zweiten Leben

Das Online-Rollenspiel „Second Life“ ist lange nicht so beliebt wie erhofft. Es gibt mehr Karteileichen als Avatare

Wer Einsamkeit liebt, sollte ins Netz gehen. Genauer: in die Welt des Onlinerollenspiels „Second Life“. Man kann dort vollkommen allein durch Geisterstädte in postmoderner Do-it-yourself-Architektur spazieren gehen. Auch im Nike-Store und auf der Mercedes-Teststrecke ist mal wieder nichts los, nur manchmal erblickt man am Horizont schemenhaft einen fremden Avatar.

Dabei wurde „Second Life“ Anfang der Jahres als Sensation verkauft. Die vielen Millionen Nutzer, von denen immer die Rede war? Haben offenbar Besseres zu tun. Normalerweise sind nur rund 25.000 bis 30.000 Menschen bei „Second Life“ eingeloggt. Das bestätigt auch eine Studie der Fittkau & Maaß Consulting GmbH, die rund 100.000 deutsche Internetnutzer zu verschiedenen Web-2.0-Themen befragt hat. Zwar kennen rund 70 Prozent der Befragten „Second Life“, doch lediglich 7,8 Prozent haben bisher dort einen Avatar gebaut. Noch ernüchternder sieht der genauere Blick auf diese Nutzergruppe aus: Der Großteil (64,9 Prozent) war genau einmal im „Second Life“ unterwegs: am Tag der Registrierung. Danach entschieden sich diese Leute wieder für das erste Leben. Was bleibt, sind Millionen von Karteileichen. Nun fragt sich natürlich, ob angesichts dieser geringen Nutzerzahlen die Errichtung zahlreicher virtueller Firmen und Geschäfte in den vergangenen Monaten nicht sinnlose „Wir sind auch dabei“-Aktionen waren. „Second Life ist nicht der Superhype. Aber es spricht eben eine ganz spezielle Nutzerschaft an“, sagt Florian Renz von Fittkau & Maaß. In Deutschland sei das die „Gamer-Zielgruppe“. Daher habe es auch Sinn, zu werben – für Unternehmen, die gezielt ebenjene aktiven Nutzer ansprechen wollen.

Es wäre also falsch, „Second Life“ als gescheitert zu betrachten. Nach wie vor wächst die Zahl der Nutzer, genauso wie die Gesamtzahl der im „Second Life“ verbrachten Stunden und die getätigten Umsätze. „Second Life“ ist eben einer von vielen virtuellen Treffpunkten – bei weitem nicht der größte, aber eben auch nicht irgendeiner. MICHAEL BRAKE