Action, auf Sand gebaut

Beim Beachvolleyball-Grand-Slam am Hauptbahnhof begeistern die Spielerinnen und Spieler mit schnellen Kombinationen, spektakulärem Einsatz und extrem knappen Entscheidungen. Das Publikum fiebert mit – oder genießt die Strandatmosphäre

Eine Verletzung hat das deutsche Beachvolleyball-Duo David Klemperer/Eric Koreng im Finale des Grand Slam gestoppt. Wegen einer Blessur von Koreng musste das Paar gestern gegen die Weltmeister Marcio Araujo/Fabio Luiz Magalhaes beim Stand von 1:1 aufgeben. Zuvor hatte das Duo im deutschen Halbfinale gegen die Europameister Julius Brink/Christoph Dieckmann (Berlin) von der verletzungsbedingten Aufgabe Brinks profitiert.

VON ROBERT RIST

Als der Schmetterball der Amerikaner im Netz landet, kennt die Begeisterung der Zuschauer keine Grenzen mehr. Standing Ovationen und „Super! Super“-Rufe für das siegreiche deutsche Duo Julius Brink und Christoph Dieckmann, die sich glücklich in den Armen liegen und dann die La-Ola-Welle anstimmen. „Das ist Beachvolleyball“, schreit Kathleen Saul in der Menge, „unglaublich!“

In der Tat. Ein in punkto Spannung kaum zu überbietendes Spektakel spielte sich vor knapp 5.000 Zuschauern in der provisorischen Arena auf dem Washingtonplatz am Hauptbahnhof ab. Denn es war der siebte Matchball, den die Deutschen zur Freude der meisten Zuschauer endlich nutzen konnten, nachdem sie wiederum fünf Matchbälle abwehren mussten. Und dies war nur ein Vorrundenspiel.

Es ist der elfte Grand Slam in Berlin, neben der Weltmeisterschaft und Olympia das wichtigste Turnier der Beachvolleyballer. Trotz dieser Bedeutung wirkt die ganze Veranstaltung eher wie ein entspannter Erlebnispark. Schon direkt neben dem Eingang ist eine Maschine zur Messung der Geschwindigkeit des eigenen Aufschlags aufgestellt. Überall sitzen im aufgeschütteten Sand Menschen in Liegestühlen und lassen sich die Sonne bei einem Cocktail auf den Bauch scheinen.

Die besten Spielerinnen und Spieler der Welt schlendern meist unerkannt durch die Menge, gucken sich Spiele an oder nutzen die Zeit für Smalltalk. Eistee wird zwischen wenigen Ess- und Trinkbuden kostenlos verteilt. Alles ist auf Entspannung und gute Laune ausgelegt. „Die ganze Tour scheint wie eine lange Klassenfahrt zu sein“, erklärt Kathleen Saul, immer noch mit einem Leuchten in den Augen. „Selbst die Schiedsrichter gehören zu dieser Beachvolleyball-Familie.“

Saul kommt seit 2001 jedes Jahr zum Grand Slam aus Warnemünde nach Berlin und hat durch die Liaison mit einem Nationalspieler viel mitbekommen. Die 31-Jährige spielt seit langem Volleyball, doch seitdem sie von der Halle auf den Sand gewechselt ist, lässt sie der Sport nicht mehr los. Tatsächlich ist die Faszination erstaunlich. In der Halle ist Volleyball für viele eine der langweiligsten und aufgrund des Bodens schmerzhaftesten Sportarten; die Version auf Sand ist wesentlich dynamischer. „Trotz des gemeinschaftlichen Miteinanders kennen die Spieler auf dem Platz kein Erbarmen, jeder gibt alles“, fügt Kathleen Saul hinzu.

Und das sieht man. Was einem in der Berliner Arena präsentiert wird, ist spektakulärer Sport. Tolle Kombinationen, Angaben, die bei den Männern Geschwindigkeiten von nahezu hundert Kilometern pro Stunde erreichen, Schmetterbälle und hechtende Spieler, die den Ball mit letzter Kraft noch auf die gegnerische Seite befördern. Im Gegensatz zum Hallenvolleyball spielen nicht sechs gegen sechs, sondern nur zwei gegen zwei Spieler. Da bleibt kaum Zeit zum Verschnaufen, ein ständiges Hin und Her begeistert die Zuschauer. Die Spiele dauern meist weniger als eine Stunde. Es werden zwei Gewinnsätze bis 21 Punkten gespielt; steht es nach Sätzen 1:1, geht es im entscheidenden nur bis 15. Das führt oft zu knappen Partien.

Auch visuell kommen die Zuschauer auf ihre Kosten. Durchtrainierte Körper und knappe, stylische Bekleidung der SpielerInnen werden als Blickfang eingesetzt. Das hat auch die Werbebranche erkannt. In den kurzen Spielpausen setzen sich Akteure nicht auf Stühle oder Bänke, sondern in den Innenraum eines Cabrios, um ihre Getränke zu sich zu nehmen. Währenddessen huschen leicht bekleidete Cheerleader über den Sand, um dem Publikum die Wartezeit zu verkürzen. Offensichtlich mit Erfolg: Auf der Tribüne amüsieren sich alle Altersklassen. „Ich bin schon zum dritten Mal hier, es macht einfach so viel Spaß zuzugucken“, sagt die 80-jährige Ilse Schmidt begeistert. Bemerkenswert ist zudem, dass kein Spieler ausgepfiffen wird oder es lästige Schiedsrichterdiskussionen gibt. Es geht fair zu.

Auf dem Platz stehen noch Julius Brink und Christoph Dieckmann, erleichtert über ihren Sieg. Sie witzeln mit ihren gerade besiegten Kontrahenten herum. „Trotz des sportlichen Ehrgeizes sind die Fairness und der Spaß das Wichtigste für die Spieler“, so Kathleen Saul. Das sieht man.