„Gestaltung von unten“

LESUNG Das Buch „Reclaim Your City“ erzählt von sozialen Bewegungen im städtischen Raum

■ 30, ist Kommunikationsdesigner, Mitarbeiter des Graffiti-Archivs in Berlin und veröffentlichte sein erstes Buch.

taz: Herr Morawski, die Menschen müssen wegen hoher Mieten die Innenstadt verlassen. Wie kann ein Platz für alle geschaffen werden?

Tobias Morawski: Ein beliebtes Mittel ist die Hausbesetzung, weil man so Räume konkret von Regeln der freien Marktwirtschaft abkoppeln kann. Heute werden leere Flächen aber immer knapper, außerdem ist Besetzung durch die Gesetzgebung schwierig. Aktuell wird allerdings der öffentliche Raum wieder mehr zurückgeholt. Er ist als Diskussions- und Aufenthaltsraum der Menschen wieder ein wichtiges Thema, denn öffentlich heißt ja im Prinzip allen gehörend.

In Ihrem Buch „Reclaim Your City“ haben Sie den urbanen Protestbewegungen eine Stimme verliehen.

In den unterschiedlichen Städten fehlt es an Partizipations-, Mitbestimmungs- und Entscheidungsmöglichkeiten. Deshalb geht es um die Frage: Wer kann in der Stadt sein. Die Protestformen sind eigentlich nur Arten, um sich dagegen zur Wehr zu setzen. Das tun die Mieter, weil sie durch steigende Mieten in der Innenstadt von Verdrängung bedroht sind. Das machen Migranten und Asylbewerber, indem sie so überhaupt am gesellschaftlichen Leben in der Stadt teilhaben und das machen Sprüher, indem sie das Erscheinungsbild der Stadt verändern, weil sonst relativ wenig Platz bleibt, um darüber zu entscheiden.

Welche Rolle spielen Künstler im städtischen Raum?

Gestaltung kann einen Attraktivitätswert für eine Stadt schaffen, den man kommerziell verwerten kann. Aber Künstler haben auch die Möglichkeit, Sprachrohr für Proteste für diejenigen zu sein, die sonst kein Gehör finden. Graffiti hat dabei eine besondere Bedeutung, weil es eine relativ langfristig bleibende Umgestaltung der Stadt ist. Gerade OZ ist ein starkes Beispiel dafür, dass es möglich ist, auf eigene Faust das gegebene Bild einer Stadt aufzubrechen und zu verändern.

Warum?

OZ hat den öffentlichen Raum wieder öffentlich gemacht, weil er eigenmächtig massiv ins Stadtbild eingegriffen hat und das ohne jegliche kommerzielle Absichten. Seine Arbeit zeigt, dass weder die Oberfläche, noch wie die Stadt aufgebaut und konstruiert ist, naturgegeben ist, sondern dass es immer ein Aushandlungs- und Machtkampf ist. Gestaltungsmöglichkeiten sind eben auch von unten möglich und machbar.  INTERVIEW: TGL

Buchvorstellung: 20 Uhr, Gängeviertel, Valentinskamp 34