„Die Regionalmuseen werden unterschätzt“

Die Stärke kommunaler Museen ist ihre Nähe zum Publikum, sagt Monica Geyler-von Bernus vom Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart

MONICA GEYLER-VON BERNUS ist Geschäftsführerin des Berliner Forums für Geschichte und Gegenwart BFGG. Der Verein dient Museumsfachleuten zum Austausch über Methoden der Geschichtsvermittlung.

taz: Frau Geyler-von Bernus, über dem Eingang des Museums Neukölln steht noch „Heimatmuseum“ – ein Relikt aus früheren Tagen. Sind Stadtteilmuseen piefig?

Monica Geyler: Nein, die Regionalmuseen werden unterschätzt. Das Schöneberg Museum etwa macht sehr interessante Projekte mit Kindern und Jugendlichen – auch aus den schwierigen Ecken des Bezirks. Und das Museum Neukölln wählt immer wieder Ausstellungsthemen von überregionaler Bedeutung.

So unkonventionell arbeiten aber nicht alle Häuser.

Es gibt auch Regionalmuseen wie das Museum in Spandau, die wie gediegene Klein- oder Mittelstadtmuseen funktionieren und durchaus ihre Berechtigung haben. All diese Häuser geben Antworten auf die Frage: „Wo lebe ich eigentlich?“ Und das ist keine dumme Frage.

Kann die pädagogische Betreuung in einem Regionalmuseum mit der Arbeit in den großen Häusern mithalten?

Gerade in den kleinen Museen gibt es oft die Chance, mit dem Kurator oder der Kuratorin eine Führung zu machen. In den großen Häusern ist das nur für einen ausgewählten Personenkreis möglich. Die Regionalmuseen arbeiten intensiv mit Schulen zusammen. Sie sind nah dran an der Bevölkerung und entwickeln ihre Sammlungen und Ausstellungen gemeinsam mit ihr. Gerade in Zeiten, in denen wir über Jugendprobleme oder mangelnde Integration ganzer Bevölkerungsschichten diskutieren, ist das wichtig. Aus der Nähe zum Publikum haben einige Häuser, zum Beispiel das Kreuzberg Museum, innovative Präsentationsformen entwickelt, die anschließend von den großen Museen aufgegriffen wurden.

Angesichts des Zwangsumzugs des Neuköllner Museums werden vermehrt Vergleiche zwischen den regionalen Museen gezogen und Kosten-Nutzen-Rechnungen aufgemacht. Ist so eine Sichtweise für Museumsarbeit angebracht?

Die Museen müssen sich dieser Herausforderung stellen – durch eine ständige Prüfung ihres Angebots und ihrer Arbeitsweise. Aber die Entscheidungsträger in der Politik sollten auch ihre Museen kennen und sich Zeit nehmen, ihren Wert zu verstehen. Oft liegt der nämlich nicht peinlich weit unter dem der Gemäldegalerie, sondern verblüffend nah bei dem der örtlichen Bildungseinrichtungen.

Was zählt so etwas angesichts leerer Kassen?

Wenn die Entscheidungsträger ihr Wissen an die ortsansässigen Unternehmen weitergeben, können sich daraus zusätzliche Einnahmequellen ergeben: Der Museumsetat würde sich aus Spenden oder Sponsoring plus Einnahmen der Museen plus einer „Existenzsicherung“ durch den Bezirk zusammensetzen.

Sind außer dem Museum Neukölln auch andere Berliner Regionalmuseen von Kürzungen bedroht?

In der jüngeren Vergangenheit hat es ja bereits Einschränkungen gegeben. Bei der Bezirksreform vor sechs Jahren wurden Museen in Hohenschönhausen, Hellersdorf, Pankow, Tiergarten und Wilmersdorf aufgelöst und weitere Häuser umstrukturiert. Wenn der Sparzwang für die Bezirke anhält, werden die Regionalmuseen immer gefährdet sein. Die konkrete Entscheidung hängt davon ab, welcher Stellenwert den bezirklichen Kulturangeboten eingeräumt wird. Werden sie als Teil der staatlichen Pflichtaufgaben anerkannt oder als Leistung, die auch von Privaten übernommen werden oder ganz wegfallen kann? Von dieser leider schon sehr alten Frage hängt der Fortbestand einer vielfältigen Museumslandschaft ab.

INTERVIEW: STEFAN OTTO