Wanderungen eines Drumsolos

SCHWARZE MUSIK Die Ausstellung „Black Sound White Cube“ im Kunstquartier Bethanien will der Kunstszene die Ohren öffnen für Jazz und HipHop

Der HipHop ist noch nicht im Museum angekommen. Das wollen die beiden Kuratoren Ina Wudtke und Dieter Lesage problematisieren und verändern. Sie haben deshalb zuerst ihr kleines Buch „Black Sound White Cube“ geschrieben und zeigen jetzt unter dem gleichen Titel eine Austellung im Kunstquartier Bethanien.

Die Ausgangsfrage für Wudtke und Lesage war: Warum bildet als weiß konnotierter Rock beispielsweise in Videoarbeiten von Dan Graham eine Referenz, warum taucht dagegen schwarze Musik, die sich auf die Grundlagen des Blues bezieht, wie Rock‘n‘Roll, Jazz und HipHop im Kunstkontext so wenig auf? Das es so ist, meinen die Autoren zumindest im kontinentaleuropäischen Kontext beobachtet zu haben. Das Ausstellungwesen in Europa sei demnach immer noch nicht bereit, die künstlerische Wertigkeit von Jazz anzuerkennen oder den scratchenden HipHop-DJ als echten Künstler zu würdigen.

Seltsamerweise formulieren Wudtke und Lesage keine Kritik am White Cube an sich. Der White Cube wird nicht als zu elitär und undurchlässig verworfen, sondern er soll lediglich mit anderen Inhalten gefüllt werden. Die schwarze Musik soll endlich rein in die weiße Halle.

Ein wenig erinnert dieses Anliegen an die Forderung des afroamerikanischen Jazztrompeters Wynton Marsalis, den Jazz endlich in den großen Konzertsälen zu etablieren, um ihn so gleichzustellen mit Beethoven oder Bach. Kritiker Marsalis‘ entgegnen dem, dass der Jazz seine Bedeutung auch außerhalb der großen Institutionen gewinnen konnte. Und auch Wudtke und Lesage kann man entgegenhalten, dass nach tausend Büchern über die „DJ Culture“ und der Akademisierung von HipHop die künstlerische Bedeutung schwarzer Musik weitgehend durchgesetzt ist. Außer eben, den Kuratoren folgend, im Rahmen der Kunst. Und so will „Black Sound White Cube“ eben den Diskurs über diese erkannte Leerstelle im Kunstbetrieb anregen. Das Herzstück der Ausstellung ist dann auch, meterhoch und imposant anzusehen, ein riesiges Soundsystem, eine Installation der Künstlerin Nadine Robinson. Sie will damit Bezüge afroamerikanischer HipHop-Kultur mit den Soundsystems in der Frühzeit des Reggaes auf Jamaica vermitteln.

Wudtke und Lesage möchten, dass man im Museum eben nicht nur etwas über die Geschichte des Punk erfahren kann, sondern über Grundlagen der DJ-Culture, die von den Kuratoren als schwarz konnotiert wird. Das kann so konkret funktionieren wie bei dem Theoretiker Nate Harrison: Er nutzt ein Dubplate - ein in den Hochzeiten des Drum & Bass bekannt gewordenes Schallplattenprovisorium, das es einem DJ ermöglicht, billiger und schneller selbst produzierte Tracks aufzulegen - , um die Geschichte des sogenannten „Amen Breaks“ zu erklären. Dieser hat seinen Ursprung in einem Drumsolo der Funk- und Soulband The Winstons aus einer 1969 erschienenen Nummer. Dieses Drumsolo wurde in gesampelter Form Bestandteil diverser HipHop-Tracks, vor allem aber wichtiges Element im Drum & Bass. Nate Harrison erzählt diese interessante Geschichte über historische Verbindungen in der schwarzen Musik mit nüchternen Worten. Das ist innerhalb einer Kunstausstellung so spannend wie außerhalb.

ANDREAS HARTMANN

■ Black Sound White Cube. Kunstquartier Bethanien am Mariannenplatz. Bis zum 28. August