„Eins von fünf Weihnachtsfesten ist weiß“

WETTER Wie wird der Winter? Diplom-Meteorologe Friedemann Schenk kann nicht hellsehen, weiß aber, wie launisch das Wetter ist

■ 42, arbeitet im alten Steglitzer Wasserturm als Diplom-Meteorologe für den Berliner Wetterkarte e. V.; Schenk ist im Vorstand des Vereins. Dieser gibt die Berliner Wetterkarte heraus: Seit 1952 werden täglich Wetterinformationen aus Berlin, Deutschland und der Welt zusammengestellt und als Druckausgabe bzw. seit 1998 auch im Internet veröffentlicht. Der Verein arbeitet mit der Freien Universität zusammen. http://wkserv.met.fu-berlin.de

INTERVIEW JOSHUA KRANZ

taz: Herr Schenk, letztes Jahr hatten wir einen vergleichsweise warmen Winter – dieser Dezember ist aber recht kalt gestartet. Müssen wir uns von unserer Vorstellung eines klassischen Winters mit starker Kälte und viel Schnee verabschieden?

Friedemann Schenk: Mir ist kein Trend bekannt, der in diese Richtung geht. Es gibt aber eine Tendenz, dass die Übergangsjahreszeiten, also Herbst und Frühling, deutlich kürzer ausfallen.

Woran liegt das?

Ich kann nur mutmaßen, da ich kein Klimatologe bin. Ich hege jedoch die Vermutung, dass es mit der Verschiebung der Eisgrenzen zusammenhängt. Die Arktis zieht sich zurück. Dadurch benötigt die kalte Luft deutlich mehr Zeit, um Deutschland zu erreichen. Das ist einfache Physik – umso länger die Luft unterwegs ist, desto mehr Zeit hat sie, sich aufzuwärmen.

Ist der Rückgang der Arktis ein Ergebnis des Klimawandels?

Für mich ist das noch nicht feststellbar. Fakt ist: Die Erde erwärmt sich und wahrscheinlich wird 2014 das wärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn. Ich kann jedoch nicht sagen, was die Ursachen sind. Im Mittelalter gab es eine kleine Eiszeit. Die Industrialisierung lag in noch weiter Ferne, es musste also mit der Sonne zusammenhängen. Mit Sicherheit spielt die starke CO2-Emission eine Rolle, aber wie groß diese ist, kann man wahrscheinlich erst in einigen Jahren sagen.

CO 2 -Emission hin oder her: Sowohl Politik als auch Wirtschaft zeigen eine Reaktion auf die gravierenden Umweltprobleme. Der Energieriese EON hat eine neue Konzernstrategie ausgerufen. Mit der Aufgabe von Kohle- und Atomkraft will man einen Wandel hin zu erneuerbaren Energien vollziehen.

Ich halte das für sehr, sehr wichtig. Die riesige Ressourcenverschwendung muss gebremst werden. Und was die Atomkraft angeht: Wie kann man mit etwas so gefährlichem Energie erzeugen, wenn nicht mal ein richtiges Endlager existiert? Hätten die Neandertaler vor rund 100.000 Jahren Atome gespalten, hätten wir heute noch mit der Strahlung zu kämpfen.

Existiert eigentlich so etwas wie saurer Regen noch?

In Zeiten der DDR waren solche Probleme noch gegenwärtig. Mittlerweile haben alle Kraftwerke sehr gute Filteranlagen. Die Regenqualität ist sehr gut.

Die Schneequalität dann auch – besteht denn die Chance auf weiße Weihnachten?

Ja, statistisch gesehen schon. Eine genaue Vorhersage ist aber erst 10 oder 14 Tage vor Heiligabend möglich. In Berlin ist es so: Eins von fünf Weihnachtsfesten ist weiß, die Chancen liegen momentan also bei 20 Prozent.

Wagen Sie vielleicht doch wieder eine klitzekleine persönliche Prognose?

Schauen Sie, wir hatten in Berlin 2010 die höchste Schneedecke seit 1908, danach hat es drei Jahre nicht geschneit. Sie sehen wie launisch das Wetter ist.

Welche Bedingungen müssen für einen verschneiten Weihnachtsabend herrschen?

Es gibt zwei entscheidende Faktoren. Zum einen muss die Temperatur unter 0°C liegen, zum anderen benötigen wir ein Tiefdruckgebiet mit feuchten Luftmassen. Wenn das erfüllt ist, steht Schneefall nichts im Weg.