Leider alle Trends verschlafen

INTENDANTENWECHSEL AM BE

Peymann wollte nicht die alten Texte zertrümmern – er wollte das Theater verändern

Claus Peymann hört auf. 2017 beendet er seine Arbeit als Intendant des Berliner Ensembles (BE), das er dann 18 Jahre geleitet haben wird. Es wäre leicht, an dieser Stelle eine weitere Polemik über den Theatermacher zu schreiben, der seit 1999 das BE in einen andauernden Dornröschenschlaf versetzte, es abkoppelte von den zeitgenössischen, ästhetischen Entwicklungen und fast ausschließlich durch seine große Klappe auffiel.

Ich (Jahrgang 1978) habe Peymann nur noch als „famous star of yesterday“ kennengelernt, einen, der mal ganz groß war – von dessen Größe heute aber nichts mehr zu sehen ist. Mit Peymann tritt einer der letzten Vertreter einer Generation ab, die sich einst aufmachte, das Theater zu verändern.

Peymann und Co glaubten, dass ein Shakespeare und ein Thomas Bernhard dem Zuschauer mit ihren Texten etwas zu sagen haben. Sie glaubten an klassisches Schauspiel und an Stücke, die einer narrativen Dramaturgie folgten. Sie wollten die alten Texte nicht zertrümmern. Das postdramatische Theater und die lustvolle Dekonstruktion, die Generation Peymann hat diese Bewegung nie verstanden und erlag dem historischen Irrtum, dass es sich nur um eine Mode handelte.

Man kann es durchaus als konsequent bezeichnen, dass Peymann in seinem Haus dagegen anspielte. Man kann es als eine unverwüstliche Liebe zur Literatur und den Glauben an die klassische Dramatik interpretieren, dass Peymann weiterhin Uraufführungen der Alten auf die Bühne brachte, als überall längst Jungautoren mit ihren Textfluchten die Festivals gewannen.

Aber natürlich war die zunehmende Realitätsverweigerung am Berliner Ensemble ein fast zwei Jahrzehnte andauernder Verlust, ausgerecht an dem Haus, an dem einst Brecht einen Aufbruch zu neuen Formen wagte. Denn das epische Theater hat viel mehr mit dem Peymann verhassten, modernen Regietheater gemeinsam, als ihm lieb sein dürfte.

So ist dieser Abschied nach 18 Jahren nur zu begrüßen, auf der anderen Seite macht er auch wehmütig. Und wirft die bange Frage auf, welche Trends von morgen wir selber verschlafen, weil wir sie zu sehr wertschätzen, die Helden unserer eigenen Vergangenheit. ALEXANDER KOHLMANN